Auf der Suche nach Jimi Hendrix

Auf der Suche nach Jimi Hendrix

Kodak Infrarot Ektachrome (E-4) in E-1 Chemie entwickeln

Immer mal wieder träumte ich davon, mit Kodaks legendären Falschfarben-Infrarotfilm zu fotografieren. Ebay-Preise jenseits der 150€, außerdem häufig noch unklaren Lagerbedingungen, hielten mich dann doch davon ab.

In einem Konvolut mit Schwarzweiß-Filmen konnte ich dann doch noch eine Rolle ergattern – abzüglich der Schwarzweißfilme, die ich auf einem wohlbekannten Kleinanzeigenportal weiterverhökern konnte, gab’s den „Kodak Ektachrome infrared film 2236“ quasi zum Nulltarif. Eine glückliche Fügung des Schicksals 😉

Ziemlich präsent prangte auf der Filmdose „Process E-4“ , was einige Hobby-Laboristen sicher abgeschreckt hätte, mir rief es einen in den Untiefen meines Chemieschrankes schlummernden „Kodak Ektachrome Entwicklersatz, Prozeß E-1“ in Erinnerung. Damit müsste es klappen.

E-1 Entwicklersatz, vermutlich aus den 1950er Jahren

Da die Fotografie mit Farbinfrarotfilm einige Tücken birgt, wollte ich mir erst so viele Infos wie möglich dazu anlesen, um bei meinem einen Versuch von 36 Bildern nichts falsch zu machen.

Schnell stieß ich im Internet auf „Mr. Aerochrome“ , Dean Bennici.

Dean kaufte, als Kodak die Produktion von Aerochrome einstellte, direkt in Rochester Aerochrome, und schnitt diesen in 120er Rollfilmformat, um ihn für die „normale“ Fotografie verfügbar zu machen. Hierzu ein kurzer Exkurs:

Es gab mehrere Iterationen von Kodak Ektachrome infrared film (im folgenden als Kodak IE bezeichnet), welcher in 35mm Format angeboten wurde. Bis Ende der 1990er wurde dieser als letzter verbleibender Film noch im E-4 Verfahren entwickelt und erst dann umgestellt. Weitere Informationen dazu finden sich unter https://www.robwalwyn.com/aerochrome im unteren Teil der Website „History Of Kodak Colour Infrared Films“, und auf Deans Seite https://www.aerochrome.shop/about

Kodak Aerochrome – Blattgrün wird rot wiedergegeben

Kodaks „Aerochrome“ war eine komplett andere Emulsion, die eine andere Farbwiedergabe so wie eine höhere Filmempfindlichkeit hatte. Er wurde nie offiziell in 35mm oder 120er Format angeboten. Die einzige Quelle war (und ist von Zeit zu Zeit) www.aerochrome.shop wo Dean mit viel Liebe und Herzblut seinen Shop betreibt. Hier finden sich auch viele wertvolle Informationen zur Fotografie mit Farbinfrarotfilm. Ich kontaktierte Dean via Instagram, und bald hatte ich eine nette Antwort mit hilfreichen Ratschlägen zum Fotografieren mit Infrarotfilm, gepaart mit dem Hinweis, dass mir wohl niemand mehr meinen E-4 Film entwickeln würde. In einem Nebensatz ließ er die Bemerkung fallen, dass er selbst noch zwei historische Rollen E-4 Ektachrome IE hätte, die ihm niemand mehr entwickeln würde. Kurzerhand bot ich meine Hilfe an. Und hier beginnt die eigentliche Geschichte.

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Anfang Januar 2024 traf ich mich mit Dean in München, um mir die zu entwickelnden Filmrollen abzuholen. Dean ist ein wahnsinnig herzlicher Mensch, und ein wahrhafter Enthusiast, was das Fotografieren mit Infrarotfilm betrifft. Leider ist es aufgrund des begrenzten Angebots ein sehr exklusives Hobby geworden, woraus Dean aber keinen Profit geschlagen hat – die Preise gingen erst durch die Decke, als seine Vorräte erschöpft waren.

Dean ließ nun die Katze aus dem Sack: Die belichteten, aber nicht entwickelten IE stammten von Karl Ferris, der 1967 das legendäre Cover von Jimi Hendrix‘ „Are you experienced“ schoss. So saßen Dean und ich nun zusammen und träumten davon, dass sich möglicherweise noch Bilder von Hendrix oder anderen Promis der 1970er Jahre auf den Rollen befinden könnten.

Aufgrund meiner Erfahrungen mit altem Latentbild wollte ich jedoch keine zu großen Hoffnungen wecken, und sagte Dean, dass wir vermutlich nichts auf den Filmen finden würden. Wir wollten es trotzdem versuchen, und Dean bot mir „a little bit of aerochrome“ als Lohn für meine Mühen an – ein hervorragender Deal.

Am darauffolgenden Wochenende machte ich mich bereits ans Werk. Zuerst ging es daran die Chemie auszupacken. Immerhin hatte Sie über 60 Jahre auf dem Buckel, und ich war mir nicht sicher, ob noch viel von ihr zu erwarten war.

Ausgepackte E-1 Chemie

Abgesehen vom Farbentwickler schien alles aufgrund der Versiegelung in Dosen in hervorragendem Zustand zu sein. Kodaks Prozesse E1 – E4 unterschieden sich zwar, waren aber untereinander relativ gut kompatibel. Meines Wissens nach wurde die Härtung der Filme im Laufe der Zeit immer besser, so dass höhere Verarbeitungstemperaturen mit entsprechend verkürzten Zeiten gefahren werden konnten. Außerdem wurde die Zweitbelichtung beim E4 Prozess durch ein Umkehrbad ersetzt, was wohl ziemlich giftig gewesen sein soll.

Hier noch weitere Fotos des E1 Kits:

Die Erhaltung des Kits, das noch aus den 1950er Jahren stammen muss, war erstaunlich gut. Einzig der Farbentwickler hatte optisch etwas gelitten, weswegen ich mir nicht sicher war, ob dieser noch seinen Dienst erfüllen würde.

Der E1 Prozess hat deutlich noch mehr Schritte als der E-6 Prozess (den es oftmals ja auch noch als verkürzten 3Bad-Prozess gibt). Diese sind im einzelnen:

  1. Erstenwickeln (20°C, 10min)
  2. Wässern (18-22°C, 1min)
  3. Härten (19-21°C, 5-10min)
  4. Zweitbelichten ( 5 sek. pro Seite)
  5. Waschen (18-22°C, 5min)
  6. Farbentwickeln (19-21°C, 25(!)min)
  7. Waschen (18-22°C, 5min)
  8. Klärbad (19-21°C, 5min)
  9. Wässern (18-22°C, 1min)
  10. Bleichen (19-21°C, 10min)
  11. Wässern (18-22°C, 1min)
  12. Fixieren (19-21°C, 5min)
  13. Waschen (18-22°C, 10min)
  14. Benetzen (18-22°C, 1min)
  15. Trocknen

Bemerkenswert ist hierbei auch, dass das Klär- und Fixierbad ein und dieselbe Lösung ist, die zweimal verwendet wird

Puh.. Betrachtet man die Zeiten auf der Anleitung ist man bestenfalls 68 Minuten beschäftigt. Wackelt man ein bisschen rum und gibt ein bisschen Sicherheitsaufschlag auf die Schritte nach der Erstentwicklung, ist man mit dem händeln der ganzen Chemie schnell mal zwei Stunden beschäftigt.
Erfreulich, wie schnell wir heutzutage mit unserem „modernen“ E-6 Prozess in der Farbdiaentwicklung unterwegs sind 😉


Nun ging es also mit dem Experimentieren los.
Als Erstentwickler entschied ich mich abweichend vom Kit wie bei meinem Agfa Uralt Experiment für DDR-Papierentwickler, mit der Beimischung von Benzotriazol zur Verhinderung von übermäßigem Grundschleier.

Die größte Gefahr schien mir, dass das Härtebad nicht mehr funktionieren könnte, und der Film retikulieren, oder sich gar völlig von der Trägerschicht ablösen konnte. Deswegen entschied ich mich, auf Nummer sicher zu gehen, und bei niedrigen 20°C zu entwickeln, obwohl de E-4 Film abweichend zum E-1 Prozess schon temperaturbeständig bis ca. 30°C war. Aber besser nichts riskieren… Die beiden Filme schnitt ich in mehrere Teile, um mir, sollte ich beim ersten Versuch scheitern, zumindest die Möglichkeit zu lassen, den Prozess anzupassen und so noch etwas vom Film zu retten. Gespannt startete ich meine Entwicklungsreihe.

Bereits beim ersten Versuch mit einer Entwicklungszeit von 15 min  gab es nach dem Erstentwickeln ein gut sichtbares Negativbild! Ich war ganz aus dem Häuschen – auf dem Bild war eine junge Dame zu erkennen – nach Janis Joplin sah sie allerdings nicht aus. Flugs um 1 Uhr nacht noch Dean aus dem Bett telefoniert und vollgequasselt – und dann zufrieden selbst ab in die Falle.

Erstenwicklung in Orwo B 104 – Negativ mit guter Zeichnung

Am nächsten Tag machte ich mich an die nächsten Prozesschritte.

Um die Reaktivität des Farbentwicklers (als einzigen, nach dem Erstenwickler, noch wirklich kritischen Prozess) zu testen schoss ich noch einen Testschnipsel Provia 100F und durfte mich an der erstaunlichen Performance des mutmaßlich schon 70 Jahre in der Dose schlummernden Farbentwicklers erfreuen. Bleichen und Fixieren ließen sich, falls sich die beiden Bäder als verdorben herausstellen, ggf. noch anderweitig bewerkstelligen und so wanderte der Provia nach dem Farbentwickler zur Zeitersparnis in E6 Bleichfixierer – das Ergebnis überzeugte.

Fuji Provia 100F mit E-1 Farbentwickler aus den 50er Jahren farbentwickelt

So wanderte das erste Teilstück von Karl Ferris‘ E-4 IE durch die Entwicklerbäder. Das Endergebnis war ein zunächst recht monochrom wirkendes Bild, welches sich aber nach dem Scan und ein paar Korrekturen nun noch recht ansehnlich präsentierte.

Ektachrome Infrared (E-4) in E-1 Chemie entwickelt

Da die Hoffnung bestand, dass sich historisch bedeutsame Aufnahmen und dem verbleibenden Filmabschnitten befinden, verzichtete ich auf größere Optimierungsversuche und blieb bei dem verwendeten Erstentwickler.

Hier nun, mit freundlicher Genehmigung von Karl Ferris, ein Teil der Aufnahmen.


Was soll ich sagen, Jimi Hendrix oder Janis Joplin befanden sich leider nicht auf den Filmen – aber einige interessante Aufnahmen einer jungen Dame, der Kleidung nach zu urteilen mutmaßlich aus den 1980er Jahren.

Ein spannendes Experiment, was seine Fortsetzung in dem Knipsen des nun noch in meiner Tiefkühltruhe schlummernden E-4 Ektachromes finden soll.

Herzlichen Dank an Dean Bennici für die Möglichkeit, Zitat „mad scientist“ zu spielen, und an Karl Ferris, dass ich einige der Bilder hier teilen durfte.

Alex Haas

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