„Geheimer“ Elko im Visacustic (und noch ein gut versteckter)

„Geheimer“ Elko im Visacustic (und noch ein gut versteckter)

Im April 2023 wollte ich für Deidesheim einen Tonfilm von 2022 fertigstellen. Im Zweibandverfahren erfordert das die aktive Mithilfe eines steuerbaren Projektors, bei mir ist das der Visacustic 2000 zusammen mit dem Visacustic Steuergerät.

Der Projektor ließ sich einschalten (alle Lichter gehen an), aber der Motor tat keinen Mucks. Es passte der berühmte Satz „das kann gar nicht sein, gestern ging er noch“. Wie sich rasch herausstellte, war die Sicherung Si406 defekt und verabschiedete sich auch direkt nach Ersetzen sofort nach dem Einschalten wieder.

Hier der Schaltplan, den man überall im Internet für den Visacustic 2000 so findet:

Hier das Detail um die an der Sicherung hängende Schaltung:

Hauptverdächtiger war sofort C405 (2200uF, 50V). Den habe ich ausgelötet, was ohne Ausbau der Leiterplatte eine schöne Fingerübung ist und durch einen frischen Elko 2200 µF mit 63 V ersetzt.
Leider war das Problem so nicht gelöst. Zu allem Überfluss war die Leiterplatte zwecks Kühlung am Gehäuse angeschraubt und eine Schraube war fest.

Nun, im Februar 2024 habe ich mich dem Projekt wieder zugewandt.

Bei der sehr sorgfältigen Überprüfung des Schaltplanes stellte ich folgendes fest:
die Sicherung Si406 (3,15A T) sitzt hinter dem Wechselstromausgang des Trafos mit 26V~ nominal auf der senkrechten Leiterplatte über den rückwärtigen Anschlüssen, diese Spannung wird gleichgerichtet (34,5V=), es folgt der beschriebene Elko C405 (2200µF/50V).
Von da geht es über 4 weitere, z.T. deutlich kleinere Sicherungen weiter (Si401 T2A, Si402 F0,315A, Si403 F1,25A, Si404 F1,25A), diese versorgen einen 24V-Spannungsregler für den NF-Teil, die beiden Endstufen und die Motorsteuerung.
Direkt geht die Spannung ohne weitere Absicherung über die Leitung 11 (Stecker 907, Pin2) auf die Reise und zwar (laut Schaltplan) auf die große Hauptplatine, die unten der Länge nach im Gehäuse liegt. Dort liegt Leitung 11 (laut Schaltplan nur an R158 (33k) an, der an einem 22µF Kondensator eine (irgendwie unstabilisierte) Spannung von ca. 17V an der Basis von T104 und T204 (im Vorverstärkerkreis) liefert.

Hier der Ausschnitt (Leitung 11 in der Mitte, geht auf R158):

Ohne, daß der hochohmige R158 abgeraucht wäre, ist ein Kurzschluß nur noch durch mechanische Beschädigung der Isolierung denkbar. 
 

Nach Trennen aller Flachkabelstecker an der senkrechten Motorplatine hinten war der Kurzschluß meßtechnisch auf der Leitung nach unten zur Hauptplatine eingekreist.

Um mir dort Zugang zu verschaffen, mußte ich die Motorplatine abbauen

Die linke Schraube ist eine weiche, schwergängige Kreuzschlitz-Schraube. Die war dann bald rundgedreht und mußte unter Zuhilfenahme von Rostlöser und etwas meißeln gelöst werden.

Dann den Projektor über das Rändelrad vorne ganz nach oben fahren und am besten auch noch die untere, vordere Gehäuse-Abdeckung entfernen (die Drehknöpfe gehen sehr schwer ab, aber sie gehen ab, wenn man stabile Daumennägel hat) und dann noch die LED-Leiterplatte oberhalb der Drehknöpfe vorne lösen.

Den Projektorkörper wollte ich nicht ganz vom Chassis trennen, das wäre vermutlich sehr viel Aufwand gewesen. Es war nicht einfach, von unten den Anlötpunkt der Leitung 11 auf der Hauptplatine zu lokalisieren (wir erinnern uns, die hatte Kurzschluß nach Masse), durch Nachverfolgung der daneben liegenden Leitung 13 (Stecker 907, Pin 1) war es aber möglich.
Und nun (Trommelwirbel), die Überraschung!

Dort war neben R158 auch noch ein weiteres Bauteil angeschlossen, ein weiterer Elko mit 2200µF/40V, der in keinem der im Netz verfügbaren Schaltpläne eingezeichnet ist.

Danke Braun, für gar nichts.

Eigentlich ist im ganzen Schaltplan überhaupt nur der eine einzige, oben schon beschriebene große Elko vorhanden (C405). Vermutlich gab es dann irgendwann ein Update (vielleicht, um Brummen zu mindern o.ä.)…
Nachdem ich C-John-Doe dann einseitig getrennt hatte (wie im Bild zu sehen), war der Kurzschluß weg. Nach Austausch funktionierte der Visacustic wieder wie am ersten Tag. Hurra!

Der Kondensator hatte interessanterweise eine geringere Spannungsfestigkeit (40V), als der oben schon mal auf der Motorplatine getauschte mit 50V (der gar nicht defekt war).

Das Gerät war von mir lange Zeit mit der 220V-Einstellung betrieben worden. Die Nominalspannung von 34,5V könnte also bei dieser Einstallung und nach der Umstellung der Netzspannung in Deutschland von 220V auf 230V durchaus mit 38V nahe an dessen Spannungsfestigkeit herangekommen sein, das hat seine eh‘ schon überstrapazierte Lebensdauer vermutlich noch mal reduziert.

Seit 20 Jahren läuft der Visacustic, wie nahezu alle alten Geräte bei mir auf der 240V-Einstellung.

Zum Abschluß muß ich sagen, daß der Visacustic zwar „innerlich“ recht kompakt und unzugänglich ist, man aber dennoch nach Abbau der Baugruppen recht gut an alles herankommt. Von Vorteil sind die überall kodierten Flachkabelstecker, man kann diese Stecker nie verkehrt herum oder versetzt einbauen, da zeigt sich Brauns Erfahrung im Hifi-Bereich.

Hier noch der ergänzte Schaltplan:

Hier das „neue“ Detail (da steht noch 40V, der ersetzte hat aber 63V):

Und nun zum gut versteckten Elko

Ich konnte dann in Deidesheim 2024 zwar projizieren, aber (wie sich kurz zuvor herausstellte) nur stumm, bzw. „Zweiband vertont“ und keinen Pistenton.

Der Projektor brachte nur ein pumpendes Geräusch am Verstärkerausgang zustande, aber keinen verständlichen Ton.

Auf der Börse war Herr Rehberger zugegen, der mir nach Beschreibung des Fehlers gleich eine (spätere) Antwort zusagte, er kenne das Problem gut, müsse aber noch die Details raussuchen.

Was er auch tat, es kommt vom Kondensator C135 im NF-Teil, der vermutlich defekt und zudem auch unterdimensioniert sei. Den sollte ich tauschen und statt der originalen 220µF einen mit 1000µF einlöten.

Es fanden sich direkt auch noch ein paar weitere Fundstellen im Internet, die das gleiche Problem und eine ähnliche Lösung dokumentierten:

https://www.eevblog.com/forum/repair/repair-of-a-braun-visacustic-2000-digital-8mm-projector

und

https://www.filmvorfuehrer.de/topic/31463-braun-visacustic-2000-digital-reparatur-nf-teil

Nun sollte die Reparatur einfach sein (dachte ich).

Der Kondensator ließ‘ sich im Schaltplan recht eínfach lokalisieren, auch an welchem Versorgungsnetz er hängt und von wo er gespeist wird.

Leitung 22 unten führt zur Versorgungsplatine, die ich anfangs dieses Artikels schon einmal angegangen hatte.

C135 muß auf der NF-Platine sitzen, die sich sozusagen im Boden des Visacustic befindet, aber wo dort genau? Einen Bestückungsplan besaß ich nicht, auch kein Service Manual des Visacustic 2000.

Hier wurde ich fündig zu einem Service Manual für den Visacustic 1000:

Braun Visacustic 1000 Stereo (Projektor-Infos) – Michael’s Super 8-Welt

Hier der direkte Link:

Damit hatte ich dann auch einen Bestückungsplan für den NF-Teil des Visacustic 1000, der sich glücklicherweise nur wenig von dem des Visacustic 2000 unterscheidet.

Dann ging es wieder mal ans Zerlegen. Ich überspringe alles, was ich oben schon mal dargestellt habe und gehe direkt zur NF-Leiterplatte.

Nachdem alle Gehäuseteile entfernt wurden (und vorsichtshalber die Versorgungsplatine hinten abgeschraubt und von allen Anschlüssen befreit war) bietet sich vorne dieses Bild:

Die kleinen Schrauben an der Leiterplatte mit den LEDs (oberhalb der Tasten) hatte ich auch entfernt, ebenso alle Steckverbindungen dorthin.

Dieser kleine, 3-polige Stecker scheint übrigens der einzige nichtkodierte Stecker im Visacustic zu sein, hier die Polung vor dem Abziehen dokumentieren.
Dann müssen noch 3 Schrauben gelöst werden, die die NF-LP mit dem Gehäuseboden verbinden:

Dann läßt sich der NF-Teil ein gutes Stück nach vorne aus dem Gehäuse ziehen:

Aber wo ist nun C135?

ch habe festgestellt, daß Braun eben die Leiterplatte kaum geändert hatte (zwischen Visacustic 1000 und 2000). Daher habe ich den Bestückungsplan gespiegelt und über ein Foto der LP gelegt:

So konnte ich die Lötstellen identifizieren und damit den Bösewicht.

Von oben versteckt er sich ganz gut:

Nach dem Auslöten:

Er riecht auch nach defektem Elko!

Das ist der neue:

Nach Einlöten alles wieder zusammengesteckt, zusammengeschraubt und in Betrieb genommen.

Und der Ton spielt wieder wie er soll!

Helge

2 Kommentare

Schokoprinz Veröffentlicht am12:04 - 23. Dezember 2024

Helge, Du bist ein Held. So einen Stinker habe ich wohl auch noch im Keller. Irgendwann werde ich dem auch mal an den Kragen gehen. Jetzt habe ich ja einen Vorreiter.
Besten Dank für den Bericht.

    Helge Veröffentlicht am12:33 - 23. Dezember 2024

    Ich helfe gerne, wenn es dann soweit ist 😉

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