Umbau einer Bolex D8L auf DS8

Umbau einer Bolex D8L auf DS8

Umbau einer Bolex D8L auf DS8

Die Bolex-Federwerkkameras sind nicht umsonst legendär. Vor allem mit den hervorragenden Festbrennweiten ihrer Zeit sind es einfach sehr gute, praktische Kameras. Da die H8 aber oft einfach zu schwer und zu unhandlich ist, sind die kleinen Schwestern (L8, B8, D8, D8L und D8LA) sehr beliebt. Auch sie haben einen Objektivrevolver, eine hervorragende Filmführung und alle erdenklichen Extras und Komfortmerkmale. Ein Nachteil ist allerdings, dass diese Kameras alle „nur“ für Doppel-8 Film vorgesehen sind. Während die große Schwester H8 ja von mindestens vier verschiedenen Technikern (Muster, Grebenstein, Pitterling, Jaakko Kurhi) auf DS8 umgerüstet wurde, ist dieser Umbau bei der kleine D8 sehr selten. Mir ist nur ein einziges Modell einer umgebauten D8 bekannt, grundsätzlich möglich ist der Umbau also — und daher habe ich es nun erfolgreich auch versucht!

Vorab sei gesagt, dass der Umbau keineswegs einfach war. Ich habe doch einige Wochenenden und Abende damit verbracht, musste mehrmals von vorne anfangen, immer neue Lösungen suchen, habe immer wieder Rückschläge erlebt — aber schliesslich ist es doch gelungen, und zwar zu meiner vollen Zufriedenheit. Zumindest ist die Qualität des Umbaus mindestens so gut wie die des einzigen anderen mir bekannten Umbaus, den mir Filmfreund Uwe freundlicherweise zur Vermessung auslieh. Danke, Uwe!

Ich hoffe, diese „Anleitung“ kann anderen Umbauern Mut machen und die vielen möglichen Irrwege etwas reduzieren. Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für den eiligen Bastler ist es nicht. Mit Geduld, Beharrlichkeit und möglichst gutem Werkzeug kann man aber definitiv zum Ziel kommen. Geduld ist dabei vermutlich die wichtigste Voraussetzung.

Werkzeug und Material

Ich empfehle sehr, mindestens eine (besser zwei) Schlacht-Bolex als Teile-Spender zu organisieren. Deren Zustand ist völlig egal. Es ist nur einfach nichts ärgerlicher, als wenn man wegen einer einzigen, weggesprungenen Feder oder Schraube aufgehalten wird. Zudem lassen sich oft aus zwei mäßigen Kameras eine hervorragende machen, und wir wollen doch eine hervorragende DS8-Kamera erschaffen!

Man benötigt möglichst gutes Werkzeug. Ich hab die „Baumarktphase“ hinter mir und mittlerweile in sehr gutes Feinwerkzeug investiert, und diesen Schritt niemals bereut. Natürlich klappt das meiste wohl auch mit einfachem Gerät, trotzdem empfehle ich sehr, nicht am Werkzeug zu sparen. Wie sagt man: Gutes Werkzeug ist die halbe Arbeit, und wer billig kauft, kauft zweimal!

An Werkzeug fand ich essenziell:

  • Gute Nadelfeilen (Bei mir: Ein Sortiment „PFERD Corradi 266/16 Hieb 2“ Feilen). Die wichtigste ist die Barettfeile.
  • Gute Schlitzschraubenzieher (Wiha, Wera, mein Favorit: Bergeon)
  • Ein Aufsicht-Stereomikroskop (meins ist alt, hat 20x Vergrößerung, aber leistet mit LED-Licht ganz hervorragende Dienste)
  • Eine Risslupe oder Messlupe für präzise FIlmfenstervergrößerung (0,05 mm ist gut), oder notfalls einen Messschieber, oder beides
  • Einen Uhrmacher-Amboss nebst Uhrmacherhammer
  • Einen Gasherd oder eine sonstige „Miniatur-Esse“ die Stahl orangerot glühend bekommet
  • Einen Dremel mit Schleifstift (Korund)
  • Polierspitzen (Filz) und Polierpaste (grob und fein, ich verwende die braune von Dremel und „Flitz“ von Nettoyant für Hochglanz… geniales Zeug!)
  • Eine kleine Ständerbohrmaschine ist sehr hilfreich, natürlich mit guten Bohrern
  • Eine paar Rollen abgelaufenen DS8 Testfilm (Kodak, Orwo, Wittner; notfalls Foma, aber auf keinen Fall Kahl). Man braucht tatsächlich mehr als eine Rolle, da Kratztests naturgemäß nur einmal gehen.
  • Eine 7,5m Rolle DS8 Film für Testbelichtungen (ich hab da K25 genommen und zum Negativ entwickelt)
  • Irgendeinen SW-Entwickler und Fixierer (kein Tank nötig, wir machen nur kurze Teststreifen)

Vorgehen

Für den Umbau sind mehrere Arbeitsschritte notwendig:

  1. Modifikation der Andruckplatte
  2. Verlängerung und Aufweitung des Greiferschlitzes
  3. Auffeilen des Bildfensters
  4. Erweiterung der Hellsektorradien des Umlaufverschlusses
  5. Umformung des Greifers
  6. Feinschliff und Justierung

Die Schritte sind unterschiedlich schwierig, zum Glück kann man gut mit den einfachen Schritten anfangen.

Als erstes aber, als Schritt 0 quasi, sollte man die umzubauende Kamera unbedingt komplett überholen. Nicht nur, damit sie gut läuft und man eventuelle Defekte beheben kann, sondern vor allem, um die Kamera gut kennenzulernen. Es gibt hier eine recht gute Anleitung dazu, ich empfehle, keinen einzigen Schritt zu überspringen, lieber noch etwas gründlicher sein. Es ist die Mühe wert und man lernt die Kamera gut kennen. Einige Teile und Baugruppen wird man während des Umbaus zigmal zerlegen und wieder zusammensetzen müssen, da hilft es, wenn jeder Handgriff sitzt.

1. Modifikation der Andruckplatte

Dieser Schritt ist einfach. Mit Hilfe einer Rundfeile erweitert man den Ausschnitt für die Greiferspitze in der Andruckplatte. Ich habe das Langloch in der Trägerplatte von 9,5 mm Länge auf 10,9 mm verlängert, und zwar zur Mitte hin. Der Anschnitt an der eigentlichen Andruckplatte wird danach auch entsprechend erweitert, ca. 1 mm reicht — hier kann man auf Sicht (Durchsicht) arbeiten. Wichtig ist hier, anschliessend die Kanten zu verrunden und zu polieren. Die Andruckplatte selbst sollte aber schön schwarz bleiben und sollte nicht poliert werden.

Es lohnt sich übrigens schon hier, akribisch darauf zu achten, dass kein bisschen Schleifstaub oder Grat in der Kamera landen. So ein quasi unsichtbarer Metallspahn im halboffenen Kugellager der Umlaufblende kann einen eine ganze Nacht lang in den Wahnsinn treiben, ich spreche aus Erfahrung….

2. Verlängerung und Aufweitung des Greiferschlitzes

Für diesen Schritt bauen wir als erstes den Kamerakopf ab und lösen die Filmbahn inkl. des Antriebsblocks. Ich empfehle, das Abdeckblech des irrsinnigen Auslösemechanismus an drei Seiten mit Klebeband zu fixieren, damit man nicht ständig diese ganzen flachen Hebel und Federn neu einpflanzen muss. Etwa nach dem dritten mal „Tetris“ weiss man dann aber, wie man eine Selbstzerlegung dieses Schweizer „Meisterwerks“ erfolgreich vermeidet…

Als Erinnerung: So und nicht anders müssen die ganzen Hebel und Federn unter dem Abdeckblech liegen. Man sollte auch nicht vergessen, dabei das vordere Sucherglas erneut von innen zu reinigen. Mal ehrlich, wer denkt sich so eine Konstruktion aus?
Die unbearbeitete Filmbahn im Originalzustand

An der Filmbahn wird jetzt zunächst der Greiferschlitz in Richtung Bildfenster verlängert. Ich habe hier mit einem 1,5 mm HSS Bohrer ein Loch gesetzt und nur den Übergang aufgefeilt:

Das ging schnell und ist schön gerade geworden. Allerdings ist der Greiferschlitz jetzt etwas zu lang, bei Verwendung längerer Brennweiten mit großem Bildkreis kann es bei Gegenlicht so zu „Geisterbildern“ links unten kommen, da das Licht so schon auf das nächste Filmbild fällt, bevor dieses belichtet wird. Vielleicht verkleinere ich den Schlitz irgendwann noch einmal entsprechend. Ich rate also auch hier eher zum feilen.

Im zweiten Schritt verbreitert man mit einer Feile den Greiferschlitz in Richtung Außenkante, bis der Abstand etwa 0,6 mm beträgt. Das ganze ist eine recht gute Übung für den Umgnag mit der Feile: Für ein sauberes, gerades und rechtwinkliges Ergebnis macht man lieber sehr viele leichte Hübe, als zu versuchen, mit viel Kraft viel abzutragen. Man bekommt hier langsam ein Gefühl für das Material der Filmbahn.

Ein Stück DS8-Film (rechts) zeigt, wie weit der Greiferschlitz etwas versetzt werden muss, und auch, wie viel schmaler das Perfoloch bei Super 8 ist.
Hier im Vergleich ein Stück Doppel 8 Film über dem originalen Greiferschlitz
DS8 Film als Lehre

Anschliessend sollte man die Kanten brechen (oder leicht anfasen) und polieren. Achtung: Auf den Flächen mit Filmkontakt nicht zu viel polieren, damit sie plan bleiben! Ich habe unterm Mikroskop sichtbaren Grat zunächst mit der Sonde (Zahnarzt) nivelliert.

So ist der Greiferschlitz weit genug versetzt
Hier sieht man die bearbeitete Filmbahn auf eine originale, unbearbeitete gelegt. Und ja, mein Greiferschlitz ist etwas zu lang geworden.
Der fertig verlängerte Greiferschlitz im Ganzen

Auffeilen des Bildfensters

Bei diesem Schritt ist sehr vorsichtiges Arbeiten angesagt, denn was weg ist, ist weg! Zwei Dinge sind beim Umgang mit der Feile besonders zu beachten:

  1. Die Filmbahn hat unterschiedliche Stärken, und entsprechend schneller trägt Material an den dünneren Stellen ab. Hier besteht Gefahr, schief zu feilen.
  2. An den langen (horizontalen) Kanten lieber zunächst etwas mehr Material stehen lassen als zu wenig. So hat man noch Luft für die Korrektur versehentlich leicht schief gewordener Bildfensterkanten. Ein weiteres Aufweiten geht später immer noch, ein Verkleinern nicht! Ein unbelichteter Bildstrich muss unbedingt erhalten bleiben, sonst strahlt der Himmel in die Unterkante des nächsten Bildes!

Es lohnt sich hier, absolut pedantisch, langsam, und durchgehend so exakt wie möglich zu arbeiten. Auf keinen Fall sollte man großen Druck auf die Feile ausüben. Der Fortschritt ist am besten mit Mikroskop und/oder Risslupe immer wieder zu kontrollieren. Ich feile sogar ganz unterm Mikroskop, denn entsprechend vergrößert sieht die Arbeit angemessen brutal aus, sodass man sich automatisch mehr zurückhält, statt ungeduldig zu werden.

Als Arbeitsgrundlage ist das in der Grafik verlinkte Aufmaß des Super 8 Filmes sehr hilfreich. Es ist direkt aus dem SMPTE Standard S149-2004 abgeleitet. Achtung. Im Internet kursieren zahlreiche falsche Aufmaße und Spezifiaktionen — diese unbedingt ignorieren! Das PDF sollte man sich ausdrucken und parat legen.

Auf das Bild klicken, um das volle PDF herunterzuladen

Die einzige Kante des Filmfensters, die nicht verändert werden muss, ist die dem Perforationsloch gegenüberliegende schmale Bildkante. Diese ist bei Doppel 8 nämlich schon von Haus aus näher am Filmrand, als bei Super 8 — ob wir wollen oder nicht, unser Umbau wird also ein „Max 8“ Umbau.

Bewährt hat sich folgendes Vorgehen, wobei ich überwiegend mit der Barettfeile gearbeitet habe, die nur auf einer Fläche gefräst ist und damit die präzisesten Ecken sichert:

  1. Aufweiten des Bildfensters um 1,1 mm in Richtung Perforation
  2. Aufweiten des Bildfensters um 0,27 mm nach oben
  3. Aufweiten des Bildfensters um 0,27 mm nach unten

Das Ergebnis sollte nicht mehr als 4,22 mm Bildhöhe haben, wird aber breiter als die 5,69 mm der Spezifikation sein (s.o.). Eine hilfreiche Marke ist, dass die dem Perforationsloch zugewandte Bildkante nahezu bis an dieses heranreicht.

Die neue Filmbahn auf die alte gelegt: Deutlich sieht man hier die Verbreiterung
Alt und Neu im Vergleich
Leider lässt sich durch meine Risslupe kaum fotografieren, aber mit keinem anderen Werkzeug kann so eindeutig auf 0,05 mm genau gearbeitet werden.

Ganz zum Schluss bekommt das Bildfenster noch eine Schlussbehandlung, dazu mehr in Abschnitt 6.

4. Erweiterung der Hellsektorradien

Der Radius (nicht der Winkel!) des Hellsektors ist bei der kleinen Bolex leider etwas knapp gewählt und würde das Super 8 Bild abschatten. Mit dem Dremel und einem Schleifstift müssen wir den Radius vergrößern, zum Glück ist hier aber genug „Fleisch“ am Verschluss. Die größte Schwierigkeit besteht darin, die reibungslose Verstellbarkeit der Sektorenblende zu erhalten. Grat ist peinlichst zu entfernen, die Verschlussbleche dürfen auch nicht beim schleifen seitlich verbiegen. Nach der Erweiterung des Radius (nicht des Sektorwinkels!) ist der Verschluss am besten nochmals komplett zu reinigen und neu abzuschmieren, um Metallspäne u.ä. aus den Zahnrädern und dem winzigen Kugellager zu entfernen.

Hier sieht man links den erweiterten und rechts den originalen Verschluss im Vergleich
Zur Bearbeitung beider Verschlussteile ist es sinnvoll, diese temporär miteinander zu verkleben, um sie zu fixieren
Ein Dremel mit Handstück erlaubt mehr Gefühl beim Schleifen
So sehen die Kanten nach dem Schleifen aus
Damit es keine Reflektionen gibt, werden die Kanten mit schwarzem Mattlackstift geschwärzt.

Vorläufig bauen wir Verschluss und Filmbahn jetzt so wieder in die Kamera ein, dass das Bildfenster zumindest an der kurzen Kante (bei aufrecht stehende Kamera also in der Höhe) so zentriert wie möglich von vorne durch den Revolver zu erkennen ist:

5. Umformung des Greifers

Dieser Schritt ist am schwierigsten — oder sagen wir: Am zeitaufwändigsten. An meinem ersten Greifer habe ich drei Wochenenden lang gearbeitet, bis er endlich zufriedenstellend funktionierte. Bei einer letzten Korrektur brach mir dann die Spitze ab und ich war zutiefst frustriert. Zum Glück hielt der Frust aber nur einen Tag lang, denn die Zeitinvestition hat sich gelohnt! Da ich jetzt wusste, worauf es ankommt und wie ich vorgehen muss, war der zweite Greifer schon nach vier Stunden fertig — und er ist wesentlich schöner und exakter geworden als der erste. Es hat sich also gelohnt — und: Schlachtbolex sei Dank!

Hier der originale Greifer (hinten) und der eines DS8-Umbaus im Vordergrund. Achtung: Dies ist keine Arbeitsvorlage, zeigt aber grob, worum es geht…
Unten Originalgreifer für Doppel 8, oben ein DS8 Greifer

Der Greifer muss in drei Parametern geändert werden:

  • Seine Spitze muss um etwa einen halben Perforationsabstand in Richtung Bildfenster versetzt werden
  • Er muss näher am Filmrand in das Perforationsloch eintauchen
  • Er muss, zumindest an der Spitze, schmaler und flacher werden

Genau in dieser Reihenfolge gehen wir auch vor. Bevor wir die Greiferspitze aber versetzen, lohnt es sich auszumessen, wie weit wir sie etwas versetzen müssen. Hier gilt: Messen ist besser als Rechnen, denn die ideale Position der Greiferspitze hängt direkt von der Position des Bildfensters ab, und die ist leicht variabel. Ziel ist es natürlich, dass das Perforationsloch möglichst mittig neben dem Filmbild sitzt.

Ich habe mir hierzu ein Stück DS8 Blankfilm (Kodak, frisch) auf der Filmbahn so fixiert, das ein Perfoloch horizontal zentriert unterm Filmfenster liegt. In dieser Position sollte man den Filmstreifen temporär mit einem Stück Klebeband befestigen. Mit Pinzette und kurzen Klebebandstückchen habe ich jetzt markiert, wo die linken Kanten der beiden links davon liegenden Perforationslöcher stehen. So lässt sich recht gut erkennen, wo der Greifer eintauchen und wo er das Perforationsloch wieder verlassen muss. Es geht hier (noch) nicht um Hundertstel an Genauigkeit, aber ohne solche Markierungen hat man einfach keinerlei Bezugspunkt, wie weit der neue Greifer tatsächlich umgeformt werden muss.

Die linken Kanten des Kapton-Tapes markieren, wo die linke Flanke der Greiferspitze eintauchen und dann wieder auftauchen muss

Um die Greiferspitze entsprechend zu versetzen, ohne dass der Greifer dabei kürzer wird, bleibt nur eine Methode: Schmieden. Der Greifer muss dazu auf einer Haltevorrichtung fixiert werden, damit man ihn bis zu orangener Glut erhitzen kann. Nur so lässt er sich mit dem Hämmerchen auf einem kleinen Amboss mit viel Geduld umformen.

Aus diesen Blechen aus der Bastelkiste habe ich mir eine Halterung für den Greifer gebaut.
Links ein 1,5mm Loch, dass den Konus aufnimmt, an dem die Zugfeder hängt. Rechts wird er mit einer M2-Schraube und Mutter festgeschraubt.
Mit einer Zange halte ich den Greifer in meine „Esse“: Den Gasherd in der Küche!
Ein Uhrmacheramboss hilft beim Umformen
Beim Umarbeiten

Die M3-Schraube, die dem Greifer in meiner Halterung „den Rücken stärkt“, hat sich als sehr sinnvoll erwiesen: sie fängt Kräfte auf, die beim Treiben der Greiferspitze nach rechts auftreten. Der Greifer darf nämlich durch das Umarbeiten nicht S-förmig werden, denn sonst wird er insgesamt zu kurz. Da der Greifer mit seiner geringen Masse sehr schnell wieder abkühlt, ist viel Geduld gefragt. Meist ist er schon nach ein oder zwei Hammerschlägen nicht mehr sichtbar glühend. Hier hilft nur ein ständiges hin und her zwischen Esse und Amboss — und behutsam hämmern, denn Beulen und Kerben will keiner haben. Man mag es kaum glauben, aber er formt sich tatsächlich um! Zwischendurch sollte man immer wieder kontrollieren, ob man schon weit genug umgeformt hat. Dazu ist der Greifer gut abkühlen zu lassen. Keinesfalls darf er zum Abkühlen in Wasser oder Öl getaucht werden, das würde ihn härten, und wir brauchen ihn doch (noch) so weich wie möglich!

Wichtig ist auch, dass die vordere Spitze des Greifers möglichst rechtwinklig bleibt. Als dünnstes Teil wird sie am heissesten und damit auch am weichsten. Ggf. lässt sie sich aber (orange erhitzt) mit einer glatten Flachzange ganz gut wieder ins Lot biegen. Achtung: Der Greifer sollte nie gelbglühend werden, denn dann verliert er an Substanz und wird früher oder später brechen. Orangerot glühend kann er aber viele dutzende Male gemacht werden ohne Schaden zu nehmen.

Passt der seitliche Versatz schliesslich zu den unter der Filmbahn gemachten Markierungen, ist der größte Schritt geschafft. die Umformung in Richtung Filmrand ist dagegen ein leichtes. Wichtig ist dabei, die Greiferspitze nicht einfach, sondern besser an zwei Punkten zu verbiegen, denn sie muss weitgehend senkrecht zum Film in das Perforationsloch eintauchen.

Ob der Versatz grob stimmt, lässt sich am besten unterm Mikroskop erkennen. Hierzu schaltet man die Kamera in den langsamsten Gang, in dem sie noch transportiert (unterhalb 12 fps), aktiviert den EInzelbildmodus und kann jetzt (ggf. durch zusätzliches Bremsen des schräg verzahnten Zahnrades weiter verlangsamt) unterm Mikroskop gut erkennen, wo der Greifer ansetzen wird. Kleine Änderungen sind hier durchaus auch durch vorsichtige Kaltverformung erlaubt.

Passt die Form in großen und ganzen, muss die Greiferspitze noch flachgefeilt werden. Wie unten zu sehen, ist etwa eine Halbierung der Dicke sinnvoll, denn die Super 8 Spezifikation erlaubt Positionstoleranzen des Perfolochs. Ausserdem wollen wir die abgerundeten Ecken der Perforation nicht zerstören. Zu schmal darf er aber auch nicht werden, damit die Lochkanten nicht leiden oder der Greifer gar verbiegt.

Achtung: Der Greifer sollte nicht gekürzt werden! Auch die Form der vordersten Spitze ist wichtig. Der Schaltschritt der D8 reicht nur so eben gerade für Super 8, weshalb man doppelt genau arbeiten muss.

Zur Politur des Greiferspitze auf Hochglanz empfehle ich Vorgehen in zwei Schritten, erst mit etwas groberer und dann mit sehr feiner Polierpaste. Je glatter die Greiferspitze ist, desto leiser ist die Kamera, desto sicherer wird der Film transportiert und desto weniger leidet der Film!

6. Feinschliff und Justierung

Der letzte Schritt ist der Feinschliff.

Nach einem ersten Zusammenbau der Kamera empfiehlt sich ein Kratztest. Whiteboard-Marker auf Testfilm aufgetragen zeigt sehr deutlich, wo der Greifer ansetzt, und wo der Film potenziell zerkratzt würde.

Mit frischem Film lassen sich eventuelle Kratzspuren aber auch sehr gut unter dem Mikroskop erkennen. Vor allem bei entwickeltem Film geht das gut — alter Kodachrome ist in 5 Minuten zum Negativ entwickelt und fixiert und eignet sich gut für solche Kratztests.

Ganz rechts sieht man, dass der Greifer noch zu weit vom Filmrand entfernt ansetzte (und abrutschte). Zudem sitzt das Perforationsloch nicht zentriert, der Greifer greift also noch zu weit rechts.

Was man leicht übersieht: Bei den kleinen Bolex Kameras befinden sich im Deckel zwei Blattfedern, die für seitlichen Filmandruck sorgen, wenn die Kamera geschlossen ist. Auch die Andruckplatte wird vom Deckel zusätzlich in Position gehalten. Ob die Kamera einwandfrei transportiert, lässt sich also nur mit geschlossenem Deckel beurteilen, was sehr unpraktisch ist. Zum (groben) Beurteilen der Greifergeometrie ist der Film daher immer entsprechend nach unten zu drücken, damit er auf den beiden Wangen aufliegt.

Auf den mit blauen Pfeilen markierten Wangen soll der Film aufliegen. Dabei ist gegen die Kraft der seitlichen Feder (rot) zu arbeiten.

Damit der Film wirklich keinerlei Kratzer bekommt, auch keine oberflächlichen Stippchen, habe ich jene veränderten Teile der Filmbahn, die mit der Emulsion in Berührung kommen, noch einmal abgerundet und mit einem Filzkonus und Polierpaste auf Hochglanz gebracht.

Ein Nachteil hochglanzpolierter Kanten ist, dass sie spiegeln. Störend ist dies an den Innenkanten des Bildfensters, weshalb diese normalerweise auch geschwärzt sind. Ohne diese Schwärzungen kommt es leicht zu „glühenden“ Bildrändern. Um diese Innenkanten zu schwärzen, habe ich Das Filmfenster von der Filmseite aus sauber abgeklebt und von der Rückseite mehrere dünne Schichten mattschwarzen Enamel-Lack aufgesprüht, trocknen gelassen und bei 50° im Ofen eingebrannt.

Das Bildfensetr, mit Kapton-Tape maskiert
Die Rückseite mit der noch nassen Lackschicht. Der Lack muss von der Auflagefläche natürlich vollständig entfernt werden, damit das Auflagemaß stimmt. In einem zweiten Versuch habe ich die Flächen vorher entsprechend abgeklebt.

Nachdem der Lack getrocknet ist (ich habe auch die Filmseite der Filmbahn neu schwarz ausgelegt, da Teile der originalen Schwärzung beim Polieren gelitten haben, siehe oben), kann die Kamera endlich wieder vollständig zusammengebaut werden. Dabei ist dieses mal besonders sorgfältig vorzugehen, denn ein weiteres Zerlegen sollte und wird zeitnah nicht nötig sein.

Um Vignettierungen zu minimieren und den Bildkreis des Objektivs so gut wie möglich über dem neu geformten Bidfenster zu zentrieren, muss die Filmbahn so nah an der Gehäusekante wie möglich angebracht werden. Der Fixierstift und drei FIlmbahn haltenden Schrauben bieten hier durchaus ein wenig Spiel.

Die mit Pfeilen markierten Schrauben sollten an der Unterkante ihres Kopfes keinen Spalt mehr zeigen

Auch der Rest des Antriebsblockes muss nach oben ausgerichtet werden und idealerweise direkt an der Filmbahn anliegen. Dabei ist sicherzustellen, dass sich der Verschluss (bei gedrücktem Auslöser) noch absolut leichtgängig bewegen lassen muss. Auch schabende Geräusche dürfen nicht zu hören sein. Im Zweifel Teile des Blockes wieder lösen und vorsichtig über kreuz neu festziehen, ohne die Ausrichtung an den Rand des Gehäuses ausser Acht zu lassen.

Ein paar Hilfslinien in Photoshop zeigen, dass der bildrelevante Teil des Filmfensters (4:3, grün) noch etwas zu hoch und vor allem zu weit links sitzt. Ganz in der optischen Achse (rot) zentrieren lässt es sich nicht, aber besser als in diesem Positionierungsversuch geht es durchaus.

Bei meinen ersten vollständig verdrehten Teströllchen bemerkte ich, dass die geschlossene Kamera manchmal anfing zu „tickern“, der Bildstand wurde dann miserabel und einige Frames wurden doppelt belichtet. Grund hierfür sind die beiden Blattfedern im Deckel, die an die leicht versetze Filmbahn angepasst werden müssen, da ihr Andruck sonst einfach zu stark ist und die den Film regelrecht festklemmen.

Zum Testen des seitlichen Andrucks habe ich einen alten Orwo UP21 verwendet, dessen Träger besonders weich und dünn ist (0,12 mm). Nun wird der Film nicht mehr seitlich eingeklemmt und der Bildstand ist vom ersten bis zum letzten Bild sehr gut.

Ein Filmtransportzahnrad hat die D8 leider nicht, aber welche Kamera hat schon alles… ich bin jetzt auf jeden Fall restlos zufrieden, und sobald das Wetter wieder besser ist, wird was richtiges gefilmt!

Ein unscharfes Handybild.. aber der Bildstand stimmt!

Vignettierungen

Der Bildkreis der Kern-Objektive mit 5,5 mm Brennweite ist für Super 8 leider deutlich zu klein. Sowohl das Switar als auch das Fix-Focus Pizar liefern am linken Bildrand eine halbkreisförmige Vignette, die doch sehr störend ist. Ein Versetzen des Revolvers ist konstruktionsbedingt nicht möglich. Hier schafft aber der Umstieg auf ein Schneider Cinegon mit 5,5/1.8 Abhilfe, da dessen Bildkreis ist größer. Es ist auch mindestens genau so scharf, wenn nicht schärfer als das Kern-Objektiv. Die obere Bildreihe im Bild oben (Strassenszene) ist mit dem Schneider 5,5 mm gefilmt. Zwar gibt es auch hier in der Ecke links oben noch eine kleine Abschattung, die stört aber im projizierten Ergebnis kaum.

Ich wünsche viel Spaß beim Nachmachen — und nicht aufgeben, es lohnt sich!

Friedemann Wachsmuth

Schmalfilmer, Dunkelkammerad, Selbermacher, Zerleger, Reparierer und guter Freund des Assistenten Zufalls. Nimmt sich immer viel zu viele Projekte vor.

7 Kommentare

Uwe Ruf Veröffentlicht am13:36 - 23. Februar 2022

Friedemann, ich gratuliere Dir. Leider bin ich ein zu großer Pfuscher, um solch genaue Arbeiten durchzuführen. Aber man soll ja nie nie sagen.
Ein toller Bericht, ein toller Umbau.

Patrick Müller Veröffentlicht am19:00 - 23. Februar 2022

Danke für den tollen Bericht. Unvorstellbar, wieviel Fachwissen und technischen Können hier zusammengekommen sind. Mir als Laien bleibt da nur die Rolle des faszinierten Betrachters. Gratulation und viel Spaß bei der Benutzung!

    Friedemann Wachsmuth Veröffentlicht am22:21 - 23. Februar 2022

    ♥️

    Michael Petersen Veröffentlicht am17:00 - 16. März 2022

    Dem schließe ich mich an. Bin absolut beeindruckt. Wann geht die in Serie? Bin gespannt auf sagen wir Switar 12,5mm Aufnahmen auf DS8!

T. Fährenkemper Veröffentlicht am22:18 - 23. Februar 2022

GLÜCKWUNSCH, genial gemacht. Aufnahmeprüfung für die Mikrochirurgie bestanden!

    Friedemann Wachsmuth Veröffentlicht am22:20 - 23. Februar 2022

    Haha… erstmal einen Stent dengeln!

Achim Dunker Veröffentlicht am12:00 - 13. März 2022

Sehr guter Bericht, ich werde es mal probieren….

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