Bonjour Rochester: Citroen XM gegen Ford Fiesta

Bonjour Rochester: Citroen XM gegen Ford Fiesta

Inspiriert von einem Bericht des Schmalfilm-Autors Hans-L. Wißkirchen im gleichnamigen Magazin krempelte Stefan vom Stein selbst die Arme hoch und wagte den verbotensten Vergleichstest aller Zeiten: Er lud je eine Kassette Velvia 50 Material in seine Kodak M4, eine simple Klotzkamera aus der Super 8 Anfangszeit, bzw. seine Beaulieu 6008 – das wohl teuerste, was als Super 8 Kamra je zu haben war – und machte sich bei schönem Wetter auf den Weg in den botanischen Garten in Wuppertal, um zeitgleich zwei nahezu identische Filme zu drehen.

Beide Kameras wurden vom Fachmann gereinigt und geprüft, die Belichtungsmesser justiert. Beide Kameras liefen gesund surrend und problemlos, wobei die Kodak M4 im Handling natürlich komfortabler war – schliesslich wiegt sie nur etwas ein Drittel und hat quasi keine Einstellmöglichkeiten. Für Leser, die es nicht wissen, seien die beiden Kandidaten kurz umrissen:

Einfacher Kasten: Die Kodak Instamatic M4 von 1965 (Foto:  K. Tauber)
Einfacher Kasten: Die Kodak Instamatic M4 von 1965 (Foto:  K. Tauber) Einfacher Kasten: Die Kodak Instamatic M4 von 1965 (Foto: K. Tauber)

Die Kodak Instamatic M4 erschien schon 1965 quasi zeitgleich mit der Markteinführung der Super 8 Kassette. Das einfache Kunststoffgehäuse in Backsteinform enthält als einzige Raffinesse einen Belichtungsmesser, die sonstige Ausstattung ist dürftig. Als Objektiv dient ein voll-versenktes Kodak Ektanar 13mm/f:1,8 Obejktiv mit Fixfocus. Es gibt keine Schärfeeinstellung, keinen Zoom, keinen Reflexsucher, keine Einstellmöglichkeiten – die Kamera war also die ideale Kandidaten zur Einführung des „dead simple“ Super 8 Kassettensystems. Übrigens ist die optische Leistung des Objektives derart ausgelegt, dass der Film am Filmfenster von einer kleinen Plastikrampe leicht gewölbt wird, was erst für gute Schärfe auf der gesamten Bildfläche sorgt. Ein unüblicher, aber cleverer Zug von Kodak, den man in ähnlicher Form u.a. auch in der hochkarätigen Nikon R10 wiederfinden kann.

Profigerät: Die Beaulieu 6008 ist keine Taschenkamera (Photo: K. Tauber)
Profigerät: Die Beaulieu 6008 ist keine Taschenkamera (Photo: K. Tauber) Profigerät: Die Beaulieu 6008 ist keine Taschenkamera (Foto: K. Tauber)

Gegenspieler ist die Beaulieu 6008, ein Spitzenmodell aus Frankreich, das heute noch als „remanufakturierte“ Neuware für gemütliche € 3.490,- erhältlich ist. Sie ist riesig, verfügt über ein exzellentes 12-fach Zoom von Schneider Kreuznach (wechselbar), hat Laufgeschwindigkeiten bis 80 B/s, Quarzoption, ein digitales Einzelbildzählwerk, einen Schwingspiegel-Reflexsucher, automatische Auf-, Ab- und Überblendungen und einen Berg an Finessen, von denen die meisten Filmer nicht einmal träumten.

Das Ergebnis ist brisant: Schärfe, Belichtung und Bildstand sind in beiden Fällen nahezu gleichwertig – mal gewinnt knapp die Beaulieu, manchmal aber auch die Kodak. Dem Autor sind nach einigen Testprojektionen die Rollen durcheinander geraten; er musste die erste Szene sichten, denn in der ist die jeweils gerade nicht testende Kamera zu sehen. Auch wenn es für die Besitzer der französischen Edeldiva nicht schön zu hören ist: Allein auf die praktisch erreichte Bildqualität bezogen bietet Ihnen ihr Flaggschiff gegenüber dem Kodakkasten kaum sichtbare Vorteile.

Pro Kodak
Im direkten Vergleich fällt auf, dass die Kodak-Kamera (jeweils oberes Bild) ein rund 8% größeres Filmfenster hat und somit mehr Fläche des Filmes benutzt. In der Projektion spielt das kaum eine Rolle, für Abtastungen mit Overscan-Möglichkeit ist der zusätzliche Bildgewinn aber durchaus praktisch. Bei der Beaulieu sind in den Ecken schon deutliche Vignettierungen zu sehen, die Kodaklinse hat einen deutlich größeren Bildkreis. Wie am Bild der roten Blumen zu erkennen ist, zeichnet die Kodak Kamera dabei auch bis zum äußersten Rand scharf, sobald die Lichtverhältnisse eine leichte Abblendung bewirkt haben.

Bei der Belichtungsmessung hat die Kodak Kamera einen ganz kleinen Bonus: Die Aufnahmen des Himmels mit Wolken sind deutlich besser durchgezeichnet.

Auch beim Bildstand liegt die Kodak gefühlt einen Hauch vorne, die Beaulieubilder scheinen ein bisschen mehr zu tanzen, obwohl sie mit dem schwereren Stativ aufgenommen wurden. Ein Doppel-Fadenkreuztest wurde allerdings nicht durchgeführt.

Pro Beaulieu
Am deutlichsten punktet die Französin im Nahbereich, wie man an den gelben Butterblumen sehen kann. Hier reicht die Nahgrenze des Fixfocus-Objektives nicht, um scharf zu zeichnen. Auch bei offener Blende schwächelt naturgemäß der einfache Dreilinser aus Amerika: Die Bilder des Schaukastens im Schatten zeigen in der Ausschnittsvergrößerung deutlich, dass man ein so schweres Objektiv nicht grundlos mit sich umherschleppt.

asd
asd Oben Kodak, unten Beaulieu: Beide Kameras beichten die schwierige Szene zufriedenstellend. Die Kodak lässt den Himmel etwas weniger ausfressen und vignettiert weniger in den Ecken, dafür ist die Beaulieu-Aufnahme etwas brillanter.
wir
wir Schuss und Gegenschuss: Deutlich zu sehen ist, dass der kleinen M4 ein recht leichtes Stativ reicht – und das die große Linse der Beaulieu zum Rand hin recht stark abschattet.
pferd
pferd Scharfe Hengste: Beide Kameras belichten die Szene scharf und korrekt.
butter
butter Bei Nahaufnahmen gewinnt deutlich die Französin: Hier ist das simple Fixfocus-Objektiv von Kodak schlicht überfordert.
wald
wald Selbst wenn die M4 schon “zu dunkel” warnt (eine Blendenanzeige hat sie nicht) belichtet sie noch gut und zeichnet für eine ganz geöffnete Blende auch noch ausreichend scharf bis in alle Bildecken.
schild
schild Bei geöffneter Blende zeigt die komplexe Optik der Beaulieu allerdings deutlich ihre Überlegenheit. In der Projektion fällt es kaum auf, betrachtet man aber ein Bilddetail, wird es deutlich:
asd
asd Mit offener Blende zeichnet die Beaulieu naturgemäß schärfer als der Dreilinser.
himmel
himmel Mit hellen Bildern wie diesem kommt die Einfachkamera dafür viel besser klar als die Beualieu. An sich eher für pumpende Belichtungsmessung bekannt, belichtet sie hier schlichtweg über.  Auch Schärfemässig ist sie hier (vermutlich ganz abgebelndet) wenig überzeugend.
grün
grün Auch hier zeigen beide Kameras absolut veritable Ergebnisse.
blum
blum Flowerpower: Die Beualieu ist trotz ihrer halben Blende mehr kein klarer Gewinner.

Fazit

Super 8 funktioniert! Ein Plastikbomber für 20,- € von Ebay kann durchaus Filme erzeugen, die von denen des französischen Spitzenmodells in der Projektion nicht unterscheidbar sind. Und genau so war das System von Kodak ja auch konzipiert: „You press the button, we do the rest“ passte also. Natürlich bietet eine Beaulieu allein durch ihr Macrozoom schon enorme optische und bildgestalterische Vorteile, von den Möglichkeiten manueller Kontrolle und der enormen Flexibilität des Systems ganz abgesehen. Der Preis hierfür sind allerdings ungleich höhere Komplexität und höheres Gewicht: Mit dem einen Knopf der Kodak M4 kann man nichts falsch machen, und bereuen tut man ihr Gewicht auch dann nicht, wenn man sie zum Beispiel wetterbedingt grundlos mit auf einen Berg geschleppt hat. Im Gegenteil: Das „shoot and forget“ Konzept erlaubt eine ungleich höhere Spontaneität beim Filmen. Jeder Filmer sollte mindestens eine derartig simple Kamera haben: Man kann sie dem Nachwuchs unbesorgt in die Hand drücken, sie kann ggf. auch mal einen Regenschauer oder einen Sturz abbekommen, ohne einen in den Ruin zu treiben. So unbefangen einfach entstehende Szenen sind von so hoher Abbildungsqualität, dass sie sich problemlos mit mühevoll konzipierten Szenen aus der Profikamera zusammenschneiden lassen. Gelegentlich treffen ihre simplen Photozellen dabei sogar die passender Blende als die große Schwester es vermag.

Interessierte können sich die Einzelbild-Scans in hoher Auflösung als Zip-Datei hier herunterladen.

Friedemann Wachsmuth

Schmalfilmer, Dunkelkammerad, Selbermacher, Zerleger, Reparierer und guter Freund des Assistenten Zufalls. Nimmt sich immer viel zu viele Projekte vor.

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