Kommt die digitale Super 8-Kassette?

Kommt die digitale Super 8-Kassette?

Eine digitale Super 8-Kassette ist in Entwicklung – oder, genauer gesagt: ambitioniertes Ziel des amerikanischen Industriedesigners Hayes Urban.

Die Idee ähnelt dem älteren Projekt Silicon Film sowie dem aktuellen Crowdfounding-Projekt Digipod. Beide wollten bzw. wollen analoge Kleinbildkameras mittels sensorbestücktem „Film“ auch als Digitalkameras nutzbar machen. Schönheitsfehler: Bisher ist das nicht geglückt. „Silicon Film“ gilt sogar als eine der größten Pleiten in der jüngeren Geschichte der Unterhaltungselektronik.

So sollen Super 8-Kameras auch digital aufzeichnen.
So sollen Super 8-Kameras auch digital aufzeichnen.

Auch Urban schreibt, dass er bisher nur Designmodelle entworfen habe und ansonsten noch „in der Frühphase des mechanischen und elektrischen Entwurfs“ stecke.
Er will einen Sensor der Firma Omnivision einsetzen und Vollbild-Video im Seitenverhältnis 4:3 mit einer Vertikalauflösung von 720 Pixeln (720p) im h264-Codec aufzuzeichnen, dem heutigen Aufzeichnungs- und Wiedergabestandard für Web- und Amateur-HD-Video sowie für digitales HD-Fernsehen. Mit diesem Codec bliebe die Kamera weit unter der Farbauflösung von chemischem Film. Sie wäre auch deutlich unter dem Standard heutiger semiprofessioneller und professioneller Videokameras, die rohe Sensordaten mit ungefilterter Farbtiefe aufzeichnen. Urban will stattdessen digitale „Film Look“-Filter einzubauen wie am „Ektachrome/Kodachrome“-Schalter an der Digitalkassette zu sehen. Für unseren Geschmack klingt das zu sehr nach pseudo-analogem Instagram/Hipstamatic-Retrospielzeug.

Unsere Meinung zur technischen Durchführbarkeit dieses Projekts: Einerseits ist es viel einfacher, eine digitale Bildaufzeichnung in ein Super 8-Kassettengehäuse zu bauen, als filmdünne Sensoren für Kleinbild-Fotokameras zu entwickeln. Digitale HD-Kameras in der Größe einer Super 8-Kassette sind im Jahr 2013 nichts besonderes. Andererseits aber dürfte der Kameraverschluss zu praktisch unlösbaren Problemen führen. Auch Urban verschweigt es nicht: Digitale Videosensoren bringen ihren eigenen elektronischen Verschluss mit, und der müsste hier mit dem Verschluss – der Umlaufblende – der Super 8-Kamera exakt im Gleichtakt laufen. Andernfalls würde das Videobild heftig flackern und teilweise schwarz sein. Schon bei geringsten Abweichungen des Synchronlaufs würden schwarze Balken übers Bild wandern, genau so, wie früher beim Super 8-Abfilmen von Fernsehbildern. Wie Urban richtig schreibt, müsste deshalb ein neuer Sensor entwickelt oder das gewählte Modell modifiziert werden, damit er sich mit dem Verschluss der Super 8-Kamera synchronisieren lässt.

Die verschiedenen Seiten der digitalen Super 8-Kassette
Die verschiedenen Seiten der digitalen Super 8-Kassette

Dies scheint uns aber nicht realistisch. Selbst mittelgroße Hersteller digitaler Video- bzw. Kinokameras wie Blackmagic kaufen ihre Sensoren fertig aus dem Regal von Drittherstellern. Eine Sensor-Neuentwicklung ist für einem kleines Projekt nicht zu stemmen. Wie die Synchronisation der zwei Verschlüsse überhaupt funktionieren soll, ist ohnehin die Frage. Es ginge nur mittels eines zusätzlichen Sensors am Kameraverschluss, der dem Videosensor in der Kassette Auslöseimpulse schicken müsste. Und wo müsste dieser Mess-Sensor sitzen? Wahrscheinlich am passenden Ort in der Kamera, nicht aber nicht an der Kassette selbst. Wie soll dann die Koppelung funktionieren? Selbst wenn sie es täte: Die Latenzen zwischen der Messung und der Auslösung am Videosensor müssten im Nanosekundenbereich bleiben. Und dann scheint es uns derzeit unmöglich, den elektronischen Verschluss eines Videosensors so flexibel zu takten, dass er sich den kleinen (nach Elektronik-Maßstäben aber durchaus großen) Unregelmäßigkeiten des Mechanikverschlusses exakt anpasst.

An die andere Lösung – nämlich die Umlaufblende aus der Super 8-Kamera zu entfernen, damit nur noch einer der zwei Verschlüsse übrig bleibt – möchten wir lieber nicht denken. Nicht nur, weil dann die Kamera für ihre eigentliche Funktion, die Belichtung von Film, unwiderruflich zerstört wäre. Sondern auch, weil fast alle Super 8-Kameras mit Blendenautomatiken arbeiten, die durch diesen Umbau schachmatt gesetzt würden. Nur an wenigen Kameras dürfte sich die Blende noch steuern lassen und die Belichtung richtig funktionieren.

Wir möchten hier auf unseren Artikel über die neue (wohlgemerkt: analoge!) Logmar Super 8-Kamera hinweisen. Warum? Auch deren Entwickler wollten ursprünglich digitale Bewegtbilder aufzeichnen. Doch nach eigenen Aussagen hatten sie dabei „komplett unterschätzt, was für ein erheblicher Aufwand das gewesen wäre“. Dabei stecken hinter Logmar Technikspezialisten – während die Nolab-Kassette in unseren Augen im Wortsinne Design, nämlich Entwurf ist.

5 Kommentare

Jörg Polzfuß Veröffentlicht am12:09 - 8. Dezember 2013

Gähn… Aprilapril im Dezember?
Wo ist der Monitor zur Kontrolle der Aufnahmen?
Wo ist die Tonaufnahme?
Wo wird während der Aufnahme angezeigt, wieviel Speicher noch frei ist und wie der Batteriezustand ist?
Was sagt der Greifer der Super-8-Kamera dazu, daß er dauerhaft ins Leere greift?
Muß ich dann alle 3 Minuten das Kassettenfach offnen? Oder geht der Restfilmanzeiger dann einfach kaputt?
HD war gestern. 3,8k (alias 4k) ist die neue Norm. Und darauf sind die Optiken der meisten Super-8-Kameras nicht ausgelegt. Wer soll sich das Ding dann also noch kaufen?
Es gibt Super-8-Kameras mit variabler Sektorenblende und mit XL. Wie soll das Digitaldings sicher den kompletten Bereich von 0-230 Grad abdecken können?
Wieso diese dumme Filmemulation durchs Digitaldings? Das kann jedes Videoschnittprogramm mittlerweile besser und flexibler?
Wer verzichtet auf den Gewichts- und Größenvorteil der meisten Videokameras gegenüber einer Super-8-Kamera?
Wer will bei Video nur mit 40 und 160 ASA arbeiten?
Wer will permanent 2-3 Batteriesets überprüfen? (1x Digitaldings, 1x Super-8-Kamera und ggf. 1x Beli der Super-8-Kamera)
Kann ich damit wirklich wie mit einer Super-8-Kassette arbeiten (inklusive Auf-/Ab-/Überblendung in der Kamera)? Wohl kaum?
Unterstützt das Ding die Einzelbildaufnahme einiger Super-8-Kameras inklusive der unterschiedlichen Belichtungsdauern (bei einigen S8-Kameras wie bei 18 B/s, bei anderen so lange, wie der Kameramann den Auslöser gedrückt hält)? Wohl kaum!

Endlose Liste weiter…

Kurz: wer soll sich so ein Teil kaufen, das keine Vorteile gegenüber einer 50€-Digiknipse aus dem nächsten Supermarkt bietet, sondern nur Nachteile? Der volle Nachname des Designers ist wohl eher „Urban Myth“…

    Friedemann Wachsmuth Veröffentlicht am15:02 - 8. Dezember 2013

    Danke, Jörg. Genau so ist es.

    joachim Veröffentlicht am10:13 - 10. Dezember 2013

    Hallo Jörg,

    Spitze wie Du den berühmten Nagel wieder getroffen hast.
    Hätte von mir sein können. 

    Viele Grüße

    Joachim

thylmuc Veröffentlicht am10:43 - 15. Dezember 2013

Ist das wirklich so mit dem Verschluss? Ich versteh das Problem nicht so ganz. Die Kamera liefert einen mechanischen Impuls zum Filmtransport. Das bedeutet, der Kameraverschluss ist zu diesem Zeitpunkt geschlossen. In diesem Moment wird der fertig belichtete Sensor ausgelesen und rückgesetzt. Dann wird ein neuer Aufnahmezyklus gestartet, in dem der Sensor Photonen registriert. Zunächst mal kommen keine Photonen, da der Verschluss noch zu ist. Irgendwann rotiert er auf, der Sensor wird belichtet, dann geht der Verschluss wieder zu, der Filmtransport wird durchgeführt und der Sensor wird wieder ausgelesen, usw. Soweit sehe ich da keine Schwierigkeiten. Problematisch wird es nur, wenn nach dem Filmtransport erstmal längere Zeit keine Belichtung erfolgt, da dann zuviel schwarzes Rauschen im Sensor erzeugt wird. Aber bei 24-60 fps glaube ich nicht, dass das ein Problem ist

    Florian Cramer Veröffentlicht am22:06 - 24. Dezember 2013

    Das Problem ist, dass Kamerasensoren im Video-Aufzeichnungsmodus nicht im Einzelbildverfahren ausgelöst werden können, sondern ein fertiges (bereits im Sensorchip auf HD herunterskaliertes) Videosignal liefern, das mittels ihres internen, fest getakteten elektronischen Verschlusses aufgezeichnet wird. Es gibt keine technische Möglichkeit, den Verschluss der Super 8-Kamera mit dem elektronischen Verschluss des Sensorchips zu synchronisieren.

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