Lego Technic Super-8 Projektor

Lego Technic Super-8 Projektor

Lego Technic ist das beste Spielzeug der Welt. Mit Lego ist nämlich eigentlich alles möglich, zumindest konzeptionell. In den letzten 20 Jahren hat sich ein guter Kubikmeter dieser etwas spezialisierteren Legosteine bei mir angesammelt und wird zwar zu selten, aber doch regelmässig ausgekippt und verwendet. In der letzten Zeit war es mein Technik- und Schmalfilmbegeisterter Sohn Kalle, der mich vermehrt zu Legoabenden überredete.

So auch an einem Wochenende vor ein paar Monaten, als der Kofferraum des Kombis zum Leidwesen der Restfamilie von Legokisten blockiert war und die bunten Steine statt Spiel- und Sportgerät mit in das Ferienhäuschen an der Ostsee genommen wurden. Wie gut, dass es durchgehend regnete – denn nichts regt den Legogeist besser an als die Mischung aus Regen auf dem Dach, Feuer im Kamin und Rotwein im Glas.

Nach dem das hehre Ziel einer „Schmalfilmkamera ganz aus Lego“ von mir schon mehrfach aufgegeben wurde und nie über grobe bis wilde Konzepte hinauskam, bestand mein gerade eben sechs Jahre gewordener Sohn unumstößlich auf die Erschaffung eines Super-8 Projektors. Sei doch ganz einfach, Lampe hier, Objektiv da, Film so durch, und dann noch so aufwickeln. Ich solle mich nicht so anstellen. Lieber mal anfangen, er würde mir schon helfen.

Gesagt, getan. Sein schon recht abgeliebtes Vario-Travenon-Objektiv aus einem alten Noris-Diesel hatte er sogar im Köfferchen dabei, ebenso ein paar Meter völlig abgenudelten SW-Bugsbunnys, was mir noch zwei Gegenargumente entzog. Und Papas neue LED-Taschenlampe war auch schlank, enorm hell und vor allem dabei. Also los!

Schritt für Schritt

Den Anfang machten die Gedanken und Versuche zum „Filmschaltwerk“. Ich wusste von meinen Dux-Kinos, dass man durchaus auch ohne Dunkelphase projizieren kann, ein intermittierender Filmtransport musste aber natürlich trotzdem her. Als ungemein praktisch stellte sich heraus, dass ein Legobalken exakt 8mm breit ist, der Film also nahezu spielfrei und leichtläufig exakt zwischen zwei Legosteinen durchlaufen kann. Damit stand schon mal die seitliche Filmführung. Weniger praktisch zeigte sich das winzige Perfoloch des Super-8-Films. Ein Ratschenmechanismus, wie ich ihn in vielen Spielzeugprojektoren gesehen habe, schied früh aus. Es musste also ein Schläger her – … und ein Greifer.

Da kein Legostein klein genug ist um sauber in ein Perforationsloch zu greifen, schnitzte ich mir eben einen zurecht. Opfer war eine ganz normale 12er Kreuzachse, die ich mit einem X-acto-Knife so lange schnitzte, bis ihre Spitze reibungslos ein paar Millimeter tief in die Perforation greifen mochte. Der ungemein harte Lego-Kunststoff lässt sich schwer, aber sauber bearbeiten: mit scharfer Klinge wird die Oberfläche sehr glatt und präzise. Sägen und feilen ist hingegen absolut aussichtslos.
Nun galt es, einen passend kleinen Schaltschritt abzubilden, denn hoch ist so ein Filmbildchen ja nicht. Eine Eischeibe als Exzenter erwies sich als passend, wenn der Pleuel (also die bearbeitete 12er Kreuzachse) genau neun Lego-Knöpfe weiter gelagert wurde. Nach Verkürzen der Greiferspitze um ca. 1 mm stimmte die Amplitude am Greifer absolut zufriedenstellend.

Der Greifer des Projektors (und Anfang der Konstruktion). Die 12er Stange ist angespitzt und trifft genau auf die Perfolöcher des Filmes, der hinten mittig durch die Aussparung läuft
Der Greifer des Projektors (und Anfang der Konstruktion). Die 12er Stange ist angespitzt und trifft genau auf die Perfolöcher des Filmes, der hinten mittig durch die Aussparung läuft

Ein so simpler Greifer macht zwar keine schöne D-Bewegung, sondern eine kreisförmige, das erwies sich aber recht schnell als konstruktiver Vorteil. Der Film wird bei bei der Konstruktion nämlich nicht wie üblich in Höhe des Bildfensters transportiert, sondern deutlich oberhalb, gleich unterhalb des Spulenarms. Da Vor- und Nachwickelrollen legotechnisch nicht umsetzbar sind, muss der Greifer für den Vorschub sorgen — wie es ja auch schon in der Super-8 Kassette klappt. Und so zieht der Greifer im ersten Viertel seines O-förmigen Schaltschrittes Film von der Rolle (und setzt sie in Schwung), schiebt den nun gelockerten Film dann im zweiten Viertel des Schaltschrittes um exakt ein Filmbild weiter durch den Filmkanal und bewegt sich anschließend wieder in seine Startposition. Der Film liegt auf Höhe des Greifers nicht auf einer Filmbahn auf, sondern kann sich frei bewegen. Im Grunde formt der Greifer so selbst eine minimale Schlaufe, die dann den Vorschub erlaubt und zudem auch noch beschleunigt.
Nachdem dieser Teil der Mechanik stand, wurde das Objektiv befestigt, eine Halterung für die Taschenlampe gebaut und der Filmkanal angedeutet. Mit losen Teststreifen funktionierte der Transport im Kurbelbetrieb schon sehr ansehnlich und fehlerfrei.

Als nächstes galt es Spulenarme und -halterungen zu bauen. Leider passte kein einziges Legoteil irgendwie akzeptabel in den komischen S8-Spulenkern, und da die schweren Filmspulen schon einigermaßen gut gelagert sein sollten, habe ich legokompatible Spulendorne gefertigt. Mit „Powerknete“ aus Epoxydharz geht das ziemlich einfach: Zwei schwarze Kodak 15m-Spulen wurden an den Innenseiten ihres Mittelloches mit einem Wattebäuschchen leicht eingeölt und auf der Rückseite mit Tesafilm verschlossen. Die gut durchgeknetete Klebknete habe ich nun einfach fest in die Spulenmitte gepresst, bis sie auch in die drei Schlitze der Spule gedrückt war. Anschließend habe ich noch zentrisch und lotrecht (per Hilfskonstruktion) eine Kreuzachsenmuffe eingebracht, damit die Wickelkerne später auf Legoachsen passen. Nach einer Stunde Warten konnte ich die fertigen Wickelkerne leicht aus der Kodakspule drücken, entfetten und mit feinem Schmirgelpapier so lange bearbeiten, bis sie perfekt und mit Biss eine Filmspule aufnahmen. Das Ergebnis ist auch heute noch präziser als so einiges, was ich schon an Betrachtern und Projektoren gesehen habe.

Spulendorne

Nachdem eine ganze Weile für eine solide Statik, Stabilitäts- und Platzoptimierung und logische Zusammenfassung der bisherigen Baugruppen draufgegangen war, zeigte sich ein großes Problem: Der Greifer allein reicht nicht. Zum einen quält er die Perforation, wenn er den Film allein durch den gut 35 cm langen Filmkanal schieben soll, zum anderen will der Film ja auch hinten aufgewickelt und später zurückgespult werden. Nach erfolglosen Versuchen mit Legoreifen als Zahntrommelersatz (Schlupf- und Greifersynchronisation waren einfach nicht in den Griff zu bekommen, die Schlaufen verschwanden immer nach ein paar Sekunden) setzte ich auf Rutschkupplung. Es galt eine Friktion zu finden, die dem Greifer beim Filmfortschritt assistierte, ohne ihm den Film aber unter der Nase wegzuziehen. Diese Friktion musste sowohl für eine leere, als auch für eine volle Auffangspule richtig bemessen sein.

Leider gibt es bei Lego Technic nur einen Typ Rutschkupplung, der für den Direktantrieb von Roboter- und Aktionsmotoren ohne Endabschaltung vorgesehen ist. Der Formfaktor dieses Teils ist fast identisch mit einem 24er Zahnrad, sein Schlupf-Drehmoment war für meine Zwecke aber viel zu hoch. Die Lösung brachte eine 1:3 Übersetzung hinter der Rutschkupplung. Die Selbstfangspule drehte sich ungebremst so zwar deutlich zu schnell, entwickelte aber genau das richtige Maß an Zugkraft für meine Konstruktion.

Da ich nun schon zwei Motoren (Greifer und Auffangspule) und eine recht erhebliche Menge an Zahnrädern und Transmission verbaut hatte um die richtige Drehbewegung sauber bis zum aufwickelnden Spulenarm zu bekommen, bereitete mir das Rückspulen zunächst Sorgen. Hier brauchte ich nicht nur ein hohes Drehmoment und hohe Geschwindigkeit am anderen Spulenarm, die volle Spule musste ja auch plötzlich freilaufen, um ein Rückspulen zu erlauben. Die Lösung fand ich in einer erstaunlich Platz sparenden Richtungsteilerkonstruktion, die eigentlich nur aus vier Zahnrädern besteht. Je nach Laufrichtung des Elektromotors wird voll kraftschlüssig eine der beiden Ausgangsachsen angetrieben, während die andere frei laufen kann. Ein an der Motorachse befestigtes 16er Zahnrad treibt dabei ein identisches zweites an, das mit minimaler Friktion in einem Lochbalken gelagert ist, der freilaufend auf der Motorachse sitzt. Durch die Friktion an der Lagerung des Zielzahnrades läuft diese nun je nach Drehrichtung nach links oder rechts. Dabei greift es jeweils in Zahnräder, die wiederum direkt auf den Ausgangsachsen sitzen. Es findet somit ein vollständiger Kraftschluss bei minimalen Schaltzeiten statt – die minimale Friktion reicht dabei für sicheres Ein- und Auskuppeln.

Der "Eingang" des Richtungsteilers. Vom Motor angetrieben wird die untere Kreuzachse. Das obere 16er Zahnrad ist mit leichter Friktion gelagert und kuppelt daher je nach Drehrichtung kraftschlüssig links oder rechts in das 12er Zahnrad ein
Der “Eingang” des Richtungsteilers. Vom Motor angetrieben wird die untere Kreuzachse. Das obere 16er Zahnrad ist mit leichter Friktion gelagert und kuppelt daher je nach Drehrichtung kraftschlüssig links oder rechts in das 12er Zahnrad ein

Um den Motor bei Aufwickelbetrieb ohne Stress gegen die Rutschkupplung ankommen zu lassen, untersetzte ich den entsprechenden Ausgang als erstes mit einer Gewindeschnecke. Die hinter der Rutschkupplung dann wiederum angebrachte Übersetzung (siehe oben) wirkt im Rückspulbetrieb (also beim Abwickeln vom hinteren Spulenarm) wie eine Untersetzung, die wiederum problemlos die Rutschkupplung schlupfen lässt, denn Gewindeschneckengetriebe funktionieren ja bekanntlich nur in eine Richtung. Nachdem dann auch die Kraftübertragung an die Wickeldorne per Kettchen und Kardanwellen gelöst war, funktionierte jede Betriebsart absolut zufriedenstellend. Der Projektor zieht eine 120m Spule mit 18 oder 24fps wartungsfrei durch und spult sie auch flugs zurück. Selbst die Rückwärtsprojektion funktioniert, erfordert aber ein manuelles Mitmachen beim Drehen der Spulen.

Die Antriebseinheit für die Wickelarme im Überblick
Die Antriebseinheit für die Wickelarme im Überblick
Der Richtungsteiler von unten. Die Achse links oben treibt den Spulenarm für die Rückspulung an. Im Vorwärtsbetrieb hingegen läuft sie frei und die untere Achse mit der Gewindeschnecke erzeugt eine stark untersetzte Drehbewegung auf die Rutschkupplung, die rückübersetzt dann die Aufwickelspule antreibt
Der Richtungsteiler von unten. Die Achse links oben treibt den Spulenarm für die Rückspulung an. Im Vorwärtsbetrieb hingegen läuft sie frei und die untere Achse mit der Gewindeschnecke erzeugt eine stark untersetzte Drehbewegung auf die Rutschkupplung, die rückübersetzt dann die Aufwickelspule antreibt

Neben der fehlenden Flügelblende hat der Projektor übrigens noch eine Besonderheit: Er hat keine Filmbühne und kein Bildfenster. Für einen Zentimeter auf Höhe des Objektivs ist der Film gar nicht, für weitere 2 cm dann nur rückseitig geführt. Die Steifigkeit sowohl von Acetat- als auch von Polyestermaterial reicht dabei absolut aus, um trotzdem ein durchgehend scharfes Bild zu erzielen. Sollte der Film im Filmkanal mal klemmen (ein gerissenes Perfoloch kann sich ganz gut an einer Legosteinkante verhaken) wird er so vom Greifer nicht geschreddert, sondern hat „Platz zum Abhauen“. Meine wertvollen, selbst gedrehten Unikate führe ich auf dem Legoprojektor natürlich trotzdem eher nicht vor, für ein paar angeblichene Kaufkopien und Cartoons reicht er aber allemal.

Automatik!

Die Kür war nun noch die automatische Einfädelung. Da der Greifer ja als alleroberstes sitzt, erfasst er den Film nach wenigen Zentimetern zuverlässig und schiebt ihn dann durch den schmalen Spalt bis zur Selbstfangspule. An der 90°-Kurve vorne unten wird der Film von einem kleinen Legoreifen geführt, der sich wie ein Reibrad emsig dreht und nach erfolgter Einfädelung seinen Kraftschluss zum Film verliert, um nicht weiter zu stören.
Die Reibung auf der gesamten Strecke ist bemerkenswert gering. Dank glatter Rollen an allen abwinkelnden Stellen läuft der Film auch unter Zug oder Schub mit minimaler Reibung durch den Projektor, was störungsfreien Betrieb sichert. Den kompletten Filmkanal entsprechend verwindungssteif hinzubekommen erforderte übrigens auch einiges an statischer Detailarbeit. Letztendlich kann man den Projektor aber nun auch mit Spulen an allen Stellen gut packen und aufstellen, ohne dass irgendwo etwas abbricht oder verbiegt. Er läuft auch auf schrägen Ebenen, ja sogar gegen die Decke gerichtet oder auf dem Kopf stehend einwandfrei.

Das einzige Teil das regelmäßiger Wartung bedarf, ist die Laufbuchse des Greifer-Pleuels, die durch den ständig alternierenden und schwingenden Greifer doch einiger Reibung ausgesetzt ist. Ein kurzes, reinigendes Anfassen mit Hautfett reicht aber für jeweils einen halben Kilometer störungsfreien Betrieb.

[alert type=”info”]A fully functional Super 8 Movie Projector I built using Lego Technic. The only non-Lego parts are the lens, the reel spindles and the lamp. The projector uses just two engines and is fully featured with automatic feeding, 24 fps, fast rewind and 120m reel capabilities. A decent LED flashlight makes it pretty amazingly bright. :)[/alert]

Friedemann Wachsmuth

Schmalfilmer, Dunkelkammerad, Selbermacher, Zerleger, Reparierer und guter Freund des Assistenten Zufalls. Nimmt sich immer viel zu viele Projekte vor.

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