Noris – die Marke aus Nürnberg

Noris – die Marke aus Nürnberg

150.000 Laternae Magicae, 80.000 Dampfmaschinen, -lokomotiven und -schiffe. Die Jahresproduktion der Nürnberger Firma des Flaschnermeisters Ernst Plank kann sich 1900 sehen lassen. 130 Mitarbeiter stehen in Lohn und Brot. 1866 hat er 22-jährig seinen Betrieb gegründet, um optische wie technische Spielwaren zu produzieren. 1882 stellt er bereits die erste elektrische Eisenbahn vor. Doch nach dem Ersten Weltkrieg läuft die Fertigung von Spielwaren unter seinem Sohn Karl nur mühsam wieder an. 1929 schließlich die Weltwirtschaftskrise – das stark exportabhängige Unternehmen hat finanzielle Probleme und verkauft an die Gebrüder Schaller in Nürnberg.

Fritz Schaller, zuvor in einer Großbank tätig, und sein Bruder Hans, Leiter einer Schutzbrillenfabrik, machen sich gemeinsam selbstständig. Fritz, der Kaufmann, und Hans, der Techniker, setzen auf Dia- und Filmprojektoren. Und auch eine 8-mm-Filmkamera, die „Noris 8 D“, wird ab 1955 gebaut. Die solide Konstruktion, der Bauer 88er-Serie ein wenig ähnlich, bietet 8 bis 48 Bilder pro Sekunde und eine Einzelbildschaltung. Das mit Hammerschlaglack grau lackierte Gehäuse ist inklusive „Cinetor 1:1,9/13mm“ für DM 348,– zu haben. Das Objektiv ist per D-mount-Gewinde wechselbar und ein zusätzlich anzusetzender Sucher simuliert Brennweiten zwischen 5,5 und 36mm. „25.000 Stück haben wir von dieser Kamera jährlich und zwar knapp vier Jahre lang verkauft“, erinnert sich der Sohn von Hans, Hans Achim Schaller, später selbst Mitinhaber gemeinsam mit seinem Cousin Hans Günter. Es bleibt die einzige selbstgebaute Filmkamera bei Noris.

Wieso eigentlich „Noris“? Woher stammt der Name? Wer genauer gen Nürnberg guckt, sieht, daß dort beinahe jede dritte Firma Noris heißt, egal, ob es sich dabei um einen Pappkarton-Produzenten, um einen Weinbrand oder um eine Hochgarage handelt. „Noris“ ist eigentlich ein Irrtum. Denn „Noris“ knüpft an die im Spätmittelalter aufkommende lateinische Ortsbezeichnung „Castrum Noricum“ an, die auf der falschen Annahme beruht, die Gründung Nürnbergs reiche ins klassische Altertum zurück und habe etwas mit dem keltischen Volksstamm der Noriker zu tun. Aber zur Zeit des Römischen Reiches ist der Raum nördlich der Donau bereits ausschließlich von germanischen Stämmen bevölkert. Der Arzt Fritz Helwig veröffentlicht 1650 einen Führer durch Nürnberg und personifiziert darin die Stadt als „Nymphe Noris“, die den Leser die Schönheiten ihres Reiches erleben läßt. Ein barocker Irrtum, der sich bis heute hält.

Besonderen Erfolg hat Noris mit Filmprojektoren, die über einen eingebautem Kassettenrecorder verfügen. Diese unter dem Namen „Norimat“ bekannten Geräte synchronisieren Film- und Tonlauf durch ein einziges Getriebe, was bei frühen Geräten auch mal zu hörbaren Gleichlaufschwankungen führt. Mitte der siebziger Jahre perfektioniert Noris dieses System im „Noris Norimat electronic“ und bietet HiFi-Tonqualität nach DIN-Norm 45500: 40 bis 12.500 Hertz.

1971 blickt die Firma auf den größten Verkaufserfolg in ihrer 105-jährigen Geschichte: 40 Prozent Umsatzplus, über 21 Millionen Mark eingenommen. 80 Prozent Anteil haben die Schmalfilm-Projektoren, der Rest entfällt auf selbstgebaute Diaprojektoren.

Ab 1972 will Noris seinen klangvollen Markennamen auch durch Kameras versilbern und kooperiert deshalb mit Chinon in Japan. Zahlreiche Modelle entstehen, deren Technik zumeist haargenau den Chinon-Originalen gleicht. Deshalb soll hier auch nicht weiter darauf eingegangen werden. „Wir haben rund 50.000 Stummfilmkameras und später etwa 50.000 Tonfilmkameras pro Jahr unter unserem Namen verkauft“, weiß Schaller, „vor allem in Deutschland und den Niederlanden.“

Den Abwärtstrend im Schmalfilm vor Augen, versucht die Firma 1976 in Kooperation mit mdn-Mikrofilmdienst Nürnberg ein Mikrofilmlesegerät zu bauen, doch 1980 hilft das nicht mehr. Die Ernst Plank KG und die Vertriebsgesellschaft Noris Projektion GmbH sind konkursreif. 390 Mitarbeiter in Nürnberg und in einem Zweigbetrieb in Hausen bei Forchheim stehen auf der Straße. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet von fünf Millionen Mark Verlust in den letzten drei Jahren – für den die Komplementäre Hans Achim und Hans Günter Schaller auch mit ihrem Privatvermögen einstehen müssen. Für das laufende Jahr 1980 befürchtet man weitere drei Millionen Mark Verlust. Bei einem Jahresumsatz von zuletzt 35 Millionen Mark hält man einen Marktanteil von 15 Prozent bei Tonfilm-Projektoren in Deutschland. Auch für Photo-Porst baut Noris Projektoren. Den Umsatz mit Chinon-Kameras beziffert das Unternehmen zuletzt auf fünf Millionen Mark jährlich.

Hans Günter Schaller zur Pleite: „Eine enttäuschende Marktentwicklung für Schmalfilmgeräte und ein dramatisch gewachsener Konkurrenzkampf. Dazu der ungünstige Yen-Kurs, von dem japanische Hersteller begünstigt wurden. Und der Fall Eumig. Selbst total verschuldet, durch staatliche Unterstützung in der Lage und durch hohe Lagerbestände gezwungen, mit Preisnachlässen zu operieren.“

Noch einmal taucht der Markenname 1982 kurz auf, als die Firma Batavia, ein Tochterunternehmen des Stinnes-Konzerns, die Rechte daran erwirbt. Der ehemalige Mit-Inhaber Hans Günter Schaller soll Dia- und Filmprojektoren vermarkten, die nach einem neuen Konzept mit Noris-Werkzeugen gebaut und von Fremdfirmen in Japan hergestellt werden. Für 18 Monate gelingt das auch.

Mehr über Noris-Projektoren im Buch „Filmprojektoren“. Infos dazu unter www.atollmedien.de

Jürgen Lossau

ist Autor zahlreicher Fachbücher über Filmkameras und Projektoren, von 2004 bis 2013 war er Chefredakteur des Magazins schmalfilm. Er war außerdem Gründungschefredakteur des Magazins für Filmemacher, zoom, und leitete vier Jahre lang das Fotomagazin camera. Lossau gründete 2016 das Projekt stadtflimmern, das mit Filminstallationen europaweit unterwegs ist. Mehr zu seinen Büchern unter www.atollmedien.de, über die Filminstallationen unter www.stadt-flimmern.de

6 Kommentare

[SUPER8.LOG] » [Noris Filmprojektoren… ] Veröffentlicht am19:17 - 28. Juli 2013

[…] “Noris – die Marke aus Nürnberg” Jürgen Lossau (27.07.2013) Der Arzt Fritz Helwig veröffentlicht 1650 einen Führer durch Nürnberg und personifiziert darin die Stadt als “Nymphe Noris”, die den Leser die Schönheiten ihres Reiches erleben läßt. Ein barocker Irrtum, der sich bis heute hält. … >> http://www.filmkorn.org/noris-die-marke-aus-nurnberg/ […]

Friedemann Wachsmuth Veröffentlicht am23:44 - 28. Juli 2013

Toll. Lauter INfos, die ich noch nicht kannte. Wirklich gut recherchiert. Vielen Dank 🙂

grandmarquis Veröffentlicht am16:37 - 30. Juli 2013

very interesting article!

I have a oneman show where I use 3 slides projectors from the 1960’s, called BORING DIAPO ( BORING for boring and DIAPO for slide in french)

All my projectors are similar. This is PAXIMAT. It seems it was made in Nurnberg. There are beige and gray color, and very heavy!! ( i ve got 8 projector found here in Switzerland for 5 to 20 euros each)

Was it made by the same factory than the NORIS ??

here, a short video and few explanation about this „burlesque“ slide show

http://www.grandmarquis.ch/boringdiapo

grussen !

    Friedemann Wachsmuth Veröffentlicht am13:04 - 31. Juli 2013

    Hey,

    Paximats where actually made by „Braun Nürnberg“ — a different company. Also not to be confused with the Braun having the famous design (as Braun Nizo Cameras).
    The Paximat Projectors were incredibly solid. The company (or some leftovers) still seem to exist: http://www.braun-phototechnik.de

alfred Schiwal Veröffentlicht am19:43 - 31. Dezember 2014

Frage: Gibt es für die Noris Kamera 5000XJ / 8000 sound noch eine
Aufnahme Kasette ? – Frdl.Gruß Schiwal

Mateo Lazarić Veröffentlicht am15:23 - 5. April 2015

I have a Noris 800 Sound camera and microphone and a projector, they have been sitting in garage, imported from Germany to Yugoslavia ages ago, they are undamaged and unused, is there any resale value in them?
I dont speak German and most information about this is in German so thats why im asking.

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