Patent verpennt: Die schwingende Andruckplatte

Patent verpennt: Die schwingende Andruckplatte

Oft gerügt und prinzipbedingt eine der größten Schwachstellen der Super 8 Kassette ist die fehlende Andruckplatte, die bei allen anderen Filmformaten Teil der Kamera ist und verlässlich dafür sorgt, dass die Emulsionsseite des Films stabil und definiert am Filmfester anliegt.

Zwar birgt auch die Super 8 Kassette ein Druckstück für den Film, dieses erfüllt aber mitnichten die Funktion einer Andruckplatte. Vielmehr formt es zusammen mit dem kameraseitigen Filmfenster nur einen Filmkanal, in dem der Super 8 Film sich nahezu friktionslos bewegen kann. Wer das nicht glaubt oder es nicht versteht, kann hier sehen, wie das Druckstück einer Kodak-Kassette mit dem ausgebauten Filmfenster einer Canon Super8 Camera zusammenspielt:

Dieses System ist problematisch, da der Film sich nicht nur während der Belichtung bewegen kann, sondern auch recht schnell aus der Schärfezone wandert. Wohl jeder Filmer kennt das „Atmen“ kurz nach Szenenbeginn, welches für szenische Unschärfen und ungenügenden Bildstand sorgt.

Viele Hersteller haben sich diesem Problem mehr oder weniger erfolgreich angenommen – die Leicina und die Nikon R10 etwa haben eine leicht verengte Filmbahn, in der der Film durch seine leichte Wölbung stabiler stehen soll. Auch die von Gottfried Klose entwickelte Andruckplatte sorgt für gesicherten Andruck, kann Stromverbrauch und Motor einiger Kameras aber sehr belasten. Die goldene Lösung dieses Problems bietet die Logmar aus Dänemark, in der es neben Vor- und Nachwickelrolle zwei echte Filmschlaufen, eine perfekt Andruckplatte und sogar einen Sperrgreifer gibt, der den Film während der Belichtung festnagelt. Der Schärfegewinn ist beachtlich.

Eine verblüffend neue und dabei erstaunlich simple Lösung dieses Problems taucht in einem Patent der Fa. Rollei von 1976 auf. Ironischerweise verkaufte Rollei letztlich nur ein paar umgelabelte Kameras von Bauer/Bosch, bevor man den Schmalfilmmarkt wieder aufgab. Die geniale Erfindung der Herren Richard Weiß und Friedrich Papke hat es also wohl niemals in eine Kamera geschafft, was ausgesprochen bedauerlich ist.

Grundidee des Patentes ist es, das Kameraseitige Bildfenster so zu modifizieren, dass kein Filmkanal entsteht, sondern der Film vom kassettenseitigen Druckstück richtig angedrückt wird – so, wie es sich für eine Andruckplatte gehört. Für den Greifer wäre es aber nun schwer, den festgeklemmten Film zu transportieren, auch bestünde Gefahr für die Perfolöcher. Das Patent sieht daher vor, dass während des Filmschritts (also wenn der Verschluss geschlossen ist) temporär wieder ein Filmkanal gebildet wird! Mit anderen Worten: Der Film bewegt sich während des Transports genauso friktionsarm wie in jeder anderen Super 8 Kamera, wird während der Belichtung aber vom kassettenseitigen Druckstück vollflächig festgehalten.

Die Idee ist so genial wie einfach und müsste ganz hervorragend funktioniert haben.

Die Hebel 19 drücken das Andruckstück der Kassette, von Steuerscheibe 22 aus gesteuert, nur während des Filmschritts in die Kassette, damit sich ein friktionsarmer FIlmkanal formt.
Die Hebel 19 drücken das Andruckstück der Kassette, von Steuerscheibe 22 aus gesteuert, nur während des Filmschritts in die Kassette, damit sich ein friktionsarmer FIlmkanal formt. Die Hebel 19 drücken das Andruckstück der Kassette, von Steuerscheibe 22 aus gesteuert, nur während des FIlmschritts in die Kassette, damit sich ein friktionsarmer Filmkanal formt.

Wie man der Patentzeichnung entnehmen kann, ist der Mechanismus bemerkenswert einfach ausgeführt: Die beiden Hebel 19 werden von Steuerscheibe 22 bewegt, die fest mit dem Umlaufverschluss gekoppelt ist. Während der Dunkelphase drücken diese Hebel das Druckstück der Kassette in diese hinein, so dass sich ein Filmkanal formt. Während der Belichtung springen die Hebel zurück, das Druckstück in der Kassette hält den Film fest und schützt ihn so vor flattern und Verwacklung während der Belichtung.

Ein Jammer, dass sich diese gute Idee nie durchgesetzt hat. Eine entsprechende nachträgliche Modifikation bestehender Kameras dürfte heute schwierig, wenn auch für einen versierten Feinmechaniker nicht ausgeschlossen sein.

Die komplette Patentschrift kann hier eingesehen werden.

Friedemann Wachsmuth

Schmalfilmer, Dunkelkammerad, Selbermacher, Zerleger, Reparierer und guter Freund des Assistenten Zufalls. Nimmt sich immer viel zu viele Projekte vor.

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