Back to the roots mit Normal-8

Back to the roots mit Normal-8

Vollmechanisch, voll manuell, voll analog: Filmen mit klassischen Normal-8-Kameras macht Spaß, gerade heute.

Als Kodak 1965 Super 8 auf den Markt brachte, gab es 8mm-Schmalfilm schon 33 Jahre lang: als klassischer Normal–8-Film (auch Doppel–8 genannt) auf der Spule und kleiner Bruder des 16mm-Films. Mit Super 8 kamen Kassetten statt Spulen, Batterie-Elektrik statt der verbreiteten Aufziehmotoren, Belichtungsautomatiken statt Blendenringen, Zoomobjektive statt Festbrennweiten, Plastik statt Metall. Die Technik sollte vor allem einfacher werden und einen Massenmarkt schaffen. Doch wenn man heute noch auf echtem Film dreht – warum dann nicht gleich richtig klassisch? Komplett manuell, mit den zeitlosen, vollmechanischen, beinahe unverwüstlichen Normal–8-Kameras? So retro, dass sie heute von App-Designern imitiert werden, tatsächlich aber zeitlos gute Technik. Gebraucht gibt’s die Kameras oft zum Spottpreis, nicht selten mit hervorragenden Objektiven. Mit kreativen Extras, die Super 8 nicht drauf hat. Und das alles funktioniert einfacher, als man denkt.

Schönere und funktionellere Kameras fürs Schmalfilmen als die klassischen Normal–8-Taschenkameras gibt’s kaum: Mit Federwerk-Aufziehmotor, der Filmer unabhängig von Batterien und jeglichem Stromnetz macht, und soliden und kompakten Ganzmetallgehäusen. Bestückt oft mit Objektiven von Kino-Optikherstellern wie Schneider, Kern, Taylor-Hobson, Zunow/Yashica und Som Berthiot, oft als Festbrennweiten, nicht selten auch an Objektivrevolvern, um schnell zwischen Weitwinkel, Normalbrennweite und Tele zu wechseln. Belichtet wird per Hand mit externem Belichtungsmesser und Blendenring, bei vielen Taschenkameras muss die Schärfe nach Schätzung der Entfernung oder mit Hilfe eines externen Messsuchers gezogen werden. Analoges old school-Handwerk ohne jede Automatik, wie bei einer vollmechanischen Fotokamera.

Bolex D8L: Taschenkamera mit drei Wechselobjektiven.
Bolex D8L: Taschenkamera mit drei Wechselobjektiven.

Klassische Filmtechnik

Nicht alle, aber überdurchschnittlich viele Normal–8-Kameras funktionieren so. Besonders die verbreitete und immer noch günstig zu findende B8/C8/D8-Kompaktkameraserie sowie die K1/K2/P1/P2/P3-Zoomkameraserie von Bolex, die preiswerte Yashica 8, die westdeutsche Agfa Movex Reflex, die ostdeutsche Pentaka 8 sowie Kameras von Herstellern wie Nizo, Bell & Howell, Revere, Keystone, Mamiya und vielen mehr. Die meisten Taschenkameras findet man zu Preisen zwischen 20 und 70 Euro auf dem Gebrauchtmarkt, neben Ebay auch bei Fotohändlern und auf Kamerabörsen. Als Filmmaterial auf der 7,5m- oder (für größere Kameras) 30m-Spule gibt es den schwarzweissen Fomapan 100R direkt konfektioniert vom tschechischen Hersteller Foma sowie im Vertrieb von Wittner Kinotechnik sowie, ebenfalls bei Wittner, Kodaks Schwarzweissfilme Tri-X und Plus-X neben Restbeständen des farbigen Ektachrome 100D.

Fomapan - schwarzerweisser Normal 8-Film direkt vom tschechischen Hersteller
Fomapan: schwarzweisser Normal 8-Film direkt vom tschechischen Hersteller

Ein typischer Arbeitsablauf beim Normal–8-Filmen: Erst den Film im Dunkeln oder Halbdunkel einfädeln, also von der Film- zur Auffangrolle in der Kamera ziehen lassen wie im Kamerainneren angezeigt. Andruckplatte einrasten, Kameradeckel schließen, fertig. Den Kameramotor aufziehen. Vor dem Motiv mit dem Objektivrevolver das gewünschte Objektiv eindrehen, Belichtung mit einem externen Belichtungsmesser messen, Blende am Objektiv einstellen, Entfernung einschätzen oder messen, Schärfe ziehen, Kamera laufen lassen.

Bei fast allen guten Kameras ist die Verschlusszeit per Kameragang dokumentiert, in der Bedienungsanleitung (die man häufig als Scan im Internet finden kann) oder sogar aufgedruckt am Kameragehäuse. Hat die Kamera keinen Reflexsucher – guckt man also im Sucher nicht durchs Aufnahmeobjektiv, sondern ein separates Glasloch – stimmt meistens die Faustregel, dass mit der Hälfte der Bildrate belichtet werden muss, als 1/48 bei 24 Bildern pro Sekunde und 1/36 bei 18 Bildern pro Sekunde. Standard für Normal–8 waren übrigens 16 Bilder/Sekunde.

Wenn die Rolle abgelaufen ist, die Kamera an einen dunklen Ort bringen oder in einen Wechselsack stecken, öffnen, den Film durch Vertauschen der beiden Rollen in der umdrehen, und die zweite Rolle belichten. Daher auch der Name Doppel–8. Im Labor wird dann der entwickelte Film längs in zwei 8mm-Streifen geschnitten.

Die alte Qualitätsdebatte

Super 8 brachte ein 29% breiteres und 21% höheres Bildfenster auf einem weiterhin 8mm breiten Filmstreifen unter, insgesamt also 56% mehr Bildfläche und -auflösung als Normal–8 (siehe Diagramm). Trotzdem schwörten – und schwören – viele Schmalfilmer weiterhin auf das ältere Format. Die Kameras sind nicht nur besonders robust. Selbst die einfachsten haben eine Andruckplatte und einen Greif- und Transportmechanismus, die dafür sorgt, dass der Film plan am Kamerafenster liegt. Die Konstruktion der Super 8-Kassette ist von vielen Kennern immer wieder bemängelt worden. Man kreidete Super 8 unruhigen Bildstand und pumpende Bildschärfe an. Seit den 60er Jahren hat diese Diskussion zahllose Leserbriefseiten des “schmalfilm” gefüllt. (Im Artikel “Normal–8 heute” in der Ausgabe 1/2010 der Zeitschrift Schmalfilm erklärt der Filmtechniker Simon Wyss die komplexen technischen Details.)

Super 8 und Normal 8: Filmgrößen im Vergleich (Quelle: Wikipedia)
Super 8 und Normal 8: Filmgrößen im Vergleich (Quelle: Wikipedia)

Um die Debatte pragmatisch abzukürzen: Bildstands- und Schärfefanatiker greifen bei Super 8 am besten zu Spitzenkameras wie der Nikon R10 und der Leicina Special, die nicht nur hervorragende Optiken, sondern auch verbesserte Filmtransportmechanismen mitbringen. Noch besser für 8mm-Qualitätsfanatiker ist das Doppel Super 8 (DS8)-Format, in dem Super 8 mit seinem größeren Bildfenster als Spulenfilm durch die Kamera läuft. Allerdings wurden nur wenige DS8-Kameras gebaut, und die hochwertigen Modelle mit Wechseloptiken von Pathé und Arri sowie Bolex-Umbauten sind rar, teuer und unhandlich.

Kreative Tricks

Wer Video gewohnt ist und zum ersten mal auf Super 8 dreht, empfindet das oft als angenehme Entschleunigung des Filmemachens, die mehr Überlegung beim Drehen erfordert. Normal–8 geht noch weiter. Man arbeitet genau wie die klassischen Kino-Kameraleute, denen Dziga Vertov 1929 mit seinem Stummfilm “Der Mann mit der Kamera” ein Denkmal setzte. Mehr handgemachter Slow Food statt elektronischem Fast Food geht nicht. Wer als Digitalfilmer gewöhnt ist, manuell mit digitalen Spiegelreflex- und Wechselobjektivkameras wie der Canon EOS 5D/7D/550D oder der Panasonic GH1/2/3 zu drehen, kommt mit einer klassischen Normal–8-Kamera sogar leichter zurecht als mit einer halbautomatischen Super 8-Zoomkamera.

Digitale Alltagstechnik kann beim Normal–8-Dreh nützliche Dienste leisten. Für Smartphones gibt es preiswerte Belichtungsmesser-Apps wie Pocket Light Meter (iPhone) und BeeCam Light Meter (Android), die in den meisten Lichtsituationen gute Ergebnisse liefern. Auch Entfernungsmesser-Apps (u.a. Distance Cam fürs iPhone, Smart Distance für Android) können praktische Helfer sein, wenn der Sucher keine Scharfstell-Hilfe bietet.

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Technisch gesehen ist der unzerteilte Normal- bzw. Doppel–8mm-Film dasselbe wie 16mm-Film, nur mit doppelt soviel Perforationslöchern. Die Löcher haben, anders als bei Super 8, auch dieselben Abmessungen wie beim 16mm-Film. Mit einem Trick kann man deshalb mit jeder Normal–8-Kamera 16mm-Filme drehen: Nachdem die erste Hälfte der Filmrolle belichtet ist und man die Filmrollen gewendet hat, stellt man die Kamera auf den Kopf und dreht so die zweite Hälfte des Films. Dem Labor muss dann unmissverständlich gesagt werden, dass der Film nicht aufgeschnitten werden darf! Als Resultat erhält man einen Split Screen–16mm Film aus vier kleinen Bildern-im-Bild. Eine 7,5m-Filmrolle für eine 8mm-Taschenkamera läuft bei 24 Bildern pro Sekunde dann noch 41 Sekunden lang, eben ein Viertel ihrer 8mm-Laufzeit.

Im Gegensatz zum Super 8-Kassettenfilm sind Mehrfachbelichtungen bei Normal–8, der Spule sei Dank, kein Problem. Einige Kameras (wie die Bolex B8LA/C8LA/D8LA) haben Gewinde für Rückspulkurbeln. Es geht aber auch ohne: Einfach den Film nach der Komplettbelichtung noch einmal wenden und z.B. Filmtitel vor schwarzem Hintergrund aufnehmen, um sie übers anfangs gedrehte Material zu legen. Oder die Kamera in einen Wechselsack oder ein anderen lichtdichten Behälter stecken, öffnen, die Andruckplatte vom Film lösen und den Film per Hand zurückdrehen.

Wenn man die Spulen nicht in völliger Dunkelheit dreht und wechselt, erhält man übrigens die orang-rötlichen Ausbrenner bzw. “film burns” am Ende jedes Filmstreifens gratis, die heute von diversen Herstellern teuer als retroästhetischer Digitaleffekt verkauft werden.

Pentaka 8b, ostdeutsche Normal 8-Kamera mit Carl Zeiss Jena-Wechselobjektiven
Pentaka 8b, ostdeutsche Normal 8-Kamera mit Carl Zeiss Jena-Wechselobjektiven, aber eigenem Objektivbajonett.

Scharfe Bilder

Für Wechselobjektive ist bei Normal–8-Kameras der d-mount Standard, ein Schraubgewinde mit schmalem 15,88mm-Durchmesser. Neben trüben No Name-Linsen gibt es scharfe d-mount-Festbrennweitenobjektive von legendären Markenherstellern. Hier muss man allerdings aufpassen: Nicht immer sind d-mount-Objektive normgerecht. Auf den Objektivrevolvern der Normal–8-Kameras von Kodak, Eumig und Fuji z.B. drehen keine vollwertigen Filmobjektive, sondern nur Tele- und Weitwinkelvorsatzlinsen. Ein Fixfocus-Objektiv mit eigener Blendenregelung sitzt fest dahinter im Kameragehäuse. Man erkennt diese Sparlösungen daran, dass die Objektive keine eigenen Blendenringe besitzen. Typische Brennweiten sind: 12,5 oder 13mm für Normalobjektive, 5,5 oder 6,5mm für Weitwinkel und 36 oder 38mm für Tele.

Weil sich vollwertige d-mount-Objektive seit kurzem auch an digitale Kameras adaptieren lassen, sind die Gebrauchtmarktpreise explodiert, auf aberwitzige 50–150 Euro für einzelne Objektive. Meistens ist es günstiger, eine Kamera mit vollständigem Objektivsatz zu kaufen, zum Beispiel ein preiswert angebotenes Defektgerät. Mit Adaptern, die es noch antiquarisch zu kaufen gibt, kann man auch c-mount-Objektive für 16mm-Kameras an 8mm-Kameras schrauben. Ebenso antik: Objektivadapter von Novoflex, mit denen unter anderem Kleinbild-Fotokameraobjektive mit M39- und M42-Schraubgewinde ans d-mount-Gewinde gehen. Allerdings lassen adaptierte Objektive meistens keinen Platz mehr für andere am Kamerarevolver. Hat man keinen Reflexsucher und zeigt der Sucher nicht gleiche Brennweite an wie das adaptierte Objektiv, stimmt auch das Sucherbild nicht mehr mit dem überein, was man filmt.

Gute Objektive sorgen neben guter Transportmechanik dafür, dass Normal–8-Filme in der Projektion Augenöffner sein können. Das Bild ist dann besser – schärfer, laufruhiger, kontrastreicher – als bei Super 8-Filmen aus praktisch allen Standard-Amateurkameras mit Zoomobjektiv. In der Fotografie gilt die Binsenweisheit, dass die meisten vor den 90er Jahren gebauten Zooms qualitativ inakzeptabel hinter Festbrennweiten zurückfallen. Für Zooms in durchschnittlichen Super 8-Amateurkameras stimmt das leider um so mehr. Eine Taschenkamera mit sehr gutem d-mount-Objektiv wie dem Kern Switar 12,5mm oder dem Schneider Xenoplan 13mm liefert eine Qualität, die einem 16mm-Film auf einem Viertel der Bildfläche entspricht. In Super 8 können da (vom feineren Filmkorn mal abgesehen) nur eine R10, Beaulieu oder Leicina konkurrieren – teure, schwere und empfindliche Geräte verglichen mit einer Normal–8-Aufziehkamera.

Eine der besten, aber auch größten und schwersten Normal 8-Kameras: Bolex H8 Reflex
Eine der besten, aber auch größten und schwersten Normal 8-Kameras: Bolex H8 Reflex

Teuer gehandelte Spitzenkameras gibt es auch für Normal–8: Unter anderem die Bolex H8, bis auf Objektive und Filmgate weitgehend baugleich mit den legendären Bolex 16mm-Federwerkkameras (deshalb allerdings auch ebenso groß und klobig). Simon Wyss empfiehlt in dieser Oberklasse noch die Nizo Heliomatic Trifo und die Ercsam Camex Reflex. Selbst die kleine Bolex B8LA/C8LA/D8LA bietet zum Beispiel eine stufenlos verstellbare Sektorenblende (also variable Belichtungszeiten), 12–64 Bilder/Sekunde und Einzelbild-Trickaufnahmen.

Wer Normal–8 projizieren will, kann auf alte Vollmetall-Projektoren zurückgreifen oder auf Zweiformat-Geräte für Normal- und Super–8 wie den klassischen Eumig Mark 610D. Bei den Filmbetrachtern gab es gute Hybridgeräte u.a. von Elmo und Porst. Alte Nassklebepressen für Normal–8-Film findet man auf fast jedem Flohmarkt. Bei Trocken-Klebepressen ist die Normal–8-Version des klassischen CIR Catozzo, ob gebraucht oder neu bei Wittner, die einzige Option. Die meisten guten Filmdigitalisierer, darunter alle, die mit dem verbreiteten MWA Flashscan und dem Müller HM73 arbeiten, können Normal–8 abtasten.

8mm-Ausblick

Normal–8 als Slow Food, Video als Fast Food, Super 8 irgendwo dazwischen: Das stimmt so einfach natürlich nicht. Kodaks Werbeslogan “You press the button, we do the rest” gilt auch für Super 8 schon lange nicht mehr. Dass der Hersteller keine Farbumkehrfilme mehr liefert, ist nur ein Teil des Problems. Der andere: Wegen der Automatiken und Elektroniken funktionieren immer weniger der (meist mehr als dreißig Jahre alten) Super 8-Kameras noch richtig. Elektronikbauteile sind oft hinüber, Belichtungsmesser und -automatiken haben sich dejustiert, oder viele der heute erhältlichen Filmsorten werden falsch erkannt und fehlbelichtet. Wenn man die Automatiken austricksen muss, ist das oft anstrengender als die Arbeit mit einem vollmanuellen Gerät. Sowieso können mechanische Kameras einfacher gewartet und repariert werden.

Zenit Quarz 1x8S2: Super 8-Kamera gebaut wie eine Normal 8-Kamera
Zenit Quarz 1x8S2: Super 8-Kamera gebaut wie eine Normal 8-Kamera

Für Super 8-Kassettenfilm gibt es nur eine einzige vollmechanische Kameras mit Aufziehmotor und voller manueller Kontrolle: die unverwüstliche russische Zenit Quarz 1x8S–1/2, Super 8-Schwester der legendären 16mm-Kamera Krasnogorsk–3. Ein massiver Klumpen Metall, bis in die frühen 90er Jahre in großen Stückzahlen gebaut und preiswert gebraucht zu finden. Mit ihrer Bildqualität ist es allerdings nicht weit her. Das Zoomobjektiv macht unscharfe und verzerrte Bilder, der Bildstand ist unterer Super 8-Durchschnitt.

Das Schöne an Normal–8 ist, neben den Kameras, der technisch simple Spulenfilm. Auch wenn man den Teufel nicht an die Wand malen sollte: Niemand weiss, wie lange Kodak die Super 8-Kassette noch herstellen wird. Mit Gottfried Kloses Kassette ist eine Alternative erst seit kurzem auf dem Markt. Gegen die Kassettenkonstruktion und -abfüllung von Super 8 ist das Umperforieren von 16mm-Film nach Normal–8 trivial. Vielleicht kommt’s ja im Schmalfilm noch so wie in der Fotografie, wo man heute entweder digital schiesst oder mit wirklich klassischen Analogkameras. Egal – wer preiswert, kreativ und mit Do-It-Yourself-Geist filmt, sollte mal eine Normal–8-Kamera in die Hand nehmen.

(Ursprünglich erschienen in Schmalfilm 1/2013)

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