
An Kameras altern die Bauteile und führen zu Funktionsverlusten, manche Kameras, namentlich die von Bolex, Leitz oder Beaulieu, um nur einige zu nennen, scheinen aber mechanisch für die Ewigkeit gebaut zu sein und lassen sich mit etwas handwerklichem Geschick wieder flott machen.
Ich hatte vor einiger Zeit aus der Bucht eine schöne Bolex D8L ersteigert, mit 3 sauberen Kern-Objektiven, allerdings war der Belichtungsmesser defekt. Nichts bewegte sich, und der erste Verdacht betraf die Selenzelle, die nach 60 Jahren wohl ihren Geist aufgegeben hatte.

Also Deckelchen vom Gehäuse des Belichtungsmessers ab und mal messen. Da kamen mit der Beleuchtung der Schreibtischlampe am Meßinstrument 275 mV an, und die Selenzelle reagierte prompt auf Belichtungsänderung. Die Zelle war offensichtlich noch in Ordnung, der Fehler lag im Drehspulinstrument der Kamera, absolut kein Durchgang, das war die Ursache.
Nun war guter Rat teuer, Reparaturunterlagen zur Kamera und erst recht zum Belichtungsmesser gibt es nicht, allerdings von Dom Jaeger eine exzellente Wartungsanleitung zur D8L, die verharzte Mechanik betreffend. Die war natürlich auch überholungsbedürftig, die Kamera lief recht schwerfällig.
Also nur CLA und Belichtungsmessung später extern mit meinem Lunasix, der fast schon so groß ist wie die D8L, das wäre die einfachste Lösung. Aber wenig sportlich bei einer Kamera, die schon eine TTL- Messung mitbringt – statt des üblichen Wabengitters mit externer Messung – und damit schon richtig modern ist.
Der Entschluss war deshalb schnell gefasst, CLA und ein neuer Belichtungsmesser mussten her, der aber die geringe Empfindlichkeit bis maximal 80 ASA und die umständlichen Einstellung über Indices nicht mehr haben sollte.
Belichtungsmesser an alten Kameras sind einfach, Batterie, CdS-Zelle, Potentiometer, kleine Batterie, Drehspulinstrument – kein Transistor oder Operationsverstärker. Im Netz fand ich Schaltungen zur Minolta SRT 101, zur Rolleiflex SL35 und zur Leica M5. Die Minolta ist noch in meiner Fototasche, sie misst zuverlässig, mit zwei seriell geschalteten CdS-Zellen in etwa halbselektiv, und gleicht damit hohe Kontraste schon intern aus. Eine Spotmessung an einer Fotokamera gefällt mir zwar besser, weil man dann weiß, was man misst, aber egal, die Minolta misst seit 45 Jahren zuverlässig. Und mit einer CDs-Zelle sollte es dann bitte auch funktionieren.

Zu meiner großen Freude gab es bei „photographica.de“ in Langen neue, kleine Drehspulinstrumente für die Rolleiflex SL35 als Originalersatz, das Stück für 6 Euro, nach einer Modifikation der Trägerplatte passten sie perfekt. Dazu aber später.
Los geht’s. Der Optimist glaubt nicht, dass alles gut gehen wird, sondern dass nicht alles schiefgeht. Frei nach Friedrich Schiller.
Die Kamera wird nach der Cinetinker-Anleitung demontiert, die verharzten Bauteile in Waschbenzin mit einer weichen (Zahn-)bürste gereinigt, soweit so gut. Um an die Selenzelle zu kommen, muss die Kamera aber komplett auseinander gebaut werden, dazu müssen Filmbahn, Sektorenblende und die ganze Mimik weg, ein ziemliches Puzzlespiel. Man trifft dann auf eine hauchdünne Abdeckplatte, hinter der sich die gesamte Mechanik für Auslösung, Einzelbildschaltung, Auslösesperre und die Einschwenkung der Kelle für den Messvorgang mit allerlei Hebelchen und vor allem Federn verbirgt. Die springen gern aus ihren flachen Vertiefungen heraus und dann in der Gegend umher, so dass man sich schon mal auf längeres Suchen in der Bastelstube gefasst machen sollte – Halleluja!!!
Was heute elektronisch gelöst ist, geht hier vollmechanisch, sehr beeindruckend. Die Mechanik ist natürlich verharzt, also raus mit allen Einzelteilen und sorgfältige Reinigung, gut, dass es für den Zusammenbau die Bilder vom Cinetinker gibt!
Die Selenzelle wird nun von der Kelle entfernt, die Fläche gesäubert, zur Isolation wird ein dünnes Pertinaxplättchen aufgeklebt. Darauf wird dann der CdS-Fotowiderstand befestigt, bei mir einer aus der Bastelkiste, Dunkelwiderstand um die 80 Kiloohm, Hellwiderstand unter der Schreibtischlampe etwa 1 Kiloohm, entscheidend war nur die Größe. Typenbezeichnung? Fehlanzeige!


Eine PDVP 8103 von Conrad wäre wohl auch passend, sowohl von den Abmessungen als auch von den elektrischen Eigenschaften, aber die Streuung bei den Widerstandswerten ist so groß, dass man es ohnehin mit Trimmpotis richten muss. Früher wurden die Bauelemente selektiert, heute ist es schon schwierig, überhaupt noch CdS-Zellen zu bekommen (Gefahrstoffverordnung…).
Der Einbau des neuen Messwerkes erfordert eine Bearbeitung der schwarzen Trägerplatte, die man natürlich vorher abschraubt. Das alte Messinstrument danach auch. Mit dem Dremel und einem kleinen Schleifteller ist eine kreisförmige Vertiefung schnell ausgefräst, wobei am Boden noch etwas Material stehenbleiben sollte – als Isolation gewissermaßen. Das neue Messwerk wird mit doppelseitigem Klebeband fixiert. Probesitz mit dem Gehäusedeckel – passt!


Vier feine Drähte anlöten, in meinem Fall schwarz und gelb für das Messwerk, rot und weiß für die Messzelle. Hochflexible und dünne Litze ist Pflicht, damit v.a. die Messkelle später leicht beweglich bleibt und die dünne Abdeckplatte für den Auslösemechanismus wieder völlig plan aufgelegt werden kann.

Dann muss mit dem Dremel noch eine Vertiefung aus der Trägerpatte gefräst werden, damit die Drähte zum Sucherfenster geführt werden können. Mit schwarzem Silikon oder Mastix abdichten!
Zusammenbau der Auslösemechanik so, dass alle Hebelchen und Federn am richtigen Ort sind, dann tief durchatmen und die Deckplatte auflegen. Sie muss völlig plan liegen, sonst rutschen die Einzelteile der Mechanik aus ihrer Position und klemmen oder blockieren. Meistens braucht man einige Anläufe, bis alles sitzt und passt, man kann dann die Abdeckung dann mit Klebeband absichern, aber das muss vor dem Zusammenbau komplett und mit allen Kleberresten wieder runter, weil sonst das Auflagemaß nicht mehr stimmt.
Ich empfehle, die Filmbahn, die Sektorenblende und deren Steuerung wieder zu montieren, damit wird die Deckplatte fixiert und die Gefahr geringer, dass beim Ablösen des Klebebandes alles wieder auseinanderfällt. Wenn alles verschraubt ist, Funktionen prüfen, Kelle einschwenken und schauen, ob sie beim Betätigen des Auslösers komplett zurückschwingt, Auslösung und Auslösesperre intakt, alles leichtgängig? Wenn ja, Glückwunsch, die erste Hürde ist geschafft.
Pause! Gern mit einem Glas Rotwein und klassischer Musik, um sich für den ersten Erfolg zu belohnen und die schmerzenden Knie vom einstündigen Suchen einer entsprungenen Feder auf dem Fußboden zu kurieren. In den nächsten Tagen geht’s weiter.
Vor dem weiteren Zusammenbau muss für die Kabeldurchführung ins Kamerainnere am Sucherfenster zwischen dem Schacht für die Suchermechanik (fein, da wird mit einem Seilzug eine Linse wie der Variator beim Zoomobjektiv hin und her bewegt) und dem Gehäuse noch eine Kerbe gefeilt werden. Alle Späne sorgfältig entfernen, sonst klemmt hinterher bestimmt die Sektorenblende…!
Beim Einpassen der Baugruppe den Spalt zwischen Filmbahn und Kameragehäuse mit schwarzem Silikon oder Mastix abdichten, auch die Kabeldurchführung ins Gehäuseinnere, sonst droht Lichteinfall, obwohl man den feinen Spalt nicht wirklich sieht. Diese Enttäuschung kann man sich sparen.
Hat man bis dahin alles richtig gemacht, kann man die Frontplatte festschrauben. Dazu muss der Stift für die Verstellung der Sektorenblende in die Rille des Messingzahnrades jongliert werden, etwas fummelig. Wenn alles montiert ist, erste Funktionsprüfung. Die Kamera muss leise surren, die Bildfrequenz muss einstellbar sein, die variable Sektorenblende muss sich einstellen lassen usw. usw., und die Messzelle muss rastend eingeschwenkt werden können und sich bei Betätigung des Auslösers schnell und komplett wieder zurückziehen.


Die vier Drähte befinden sich jetzt an der Unterseite der Sucherabdeckung (das Blech mit der Schräge) im Inneren, mit einem Stück Schrumpfschlauch werden sie gebündelt und nach hinten geführt. Das ist wichtig, damit der Fliehkraftregler nicht durch einen Draht behindert wird. Den Schrumpfschlauch klebt man sinnigerweise fest. Die Trimmpotis finden auf der Schräge des Suchergehäuses ihren Platz, wieder isoliert mit einem Pertinaxplättchen. Der Platz reicht gerade so. Gemäß Schaltung bei beide mit 20 Kiloohm, das kann je nach Widerstandswerten des CdS-Elementes aber erheblich variieren. Muss man ausprobieren, reine Empirie, siehe unten. Der Abgleich ist die zweite Hürde.
Eine PDVP 8104 hat einen höheren Dunkelwiderstand, siehe Datenblatt bei Conrad.

Die rote Referenznadel des Belichtungsmessers habe ich mit dem Rädchen so eingestellt, dass die beiden schwarzen Dreiecke genau übereinander stehen. Sie befindet sich dann am tiefsten Punkt ganz am unteren Rand, für den Nullabgleich des originären Messwerkes. Der Einstellweg, ausgehend von einer offenen Blende ist damit so lang wie möglich und deshalb präziser. Durch Verdrehen können prinzipiell auch noch andere Filmempfindlichkeiten eingestellt werden, falls man passenden Film bekommt, den Cine 40 BW beispielsweise, siehe unten. Ich will Foma R100 verdrehen, entsprechend habe ich meine Einstellungen vorgenommen.
Mit einer frischen 1,55 V Silberoxidzelle (SR44) erfolgt nun der Abgleich per Handbelichtungsmesser oder einer korrekt messenden Fotokamera als Referenz und z.B. weißen, grauen und schwarzen Tafeln unter konstanter Beleuchtung. Iterativ, erst der Hellabgleich mit dem Trimmer 1 hinter dem CdS-Element, dann der Dunkelabgleich mit dem Trimmer 2 parallel zum Messinstrument. Das verändert wieder etwas den Hellabgleich, also nächste Runde. Nach einigen (etlichen) Gängen stimmt es dann, die Federspannung am Messwerk und damit der Ausschlag des Zeigers müssen ggfls. auch noch angepasst werden (das rote Hebelchen am Instrument, Nullabgleich). Das verändert die Nullstellung des Instrumentes, aber auch das Ansprechen des Zeigers bzw. dessen Ausschlag. Wer eine Referenzlichtquelle für einen professionellen Abgleich hat, kann sich glücklich schätzen, es geht aber auch wie beschrieben.
Schlussendlich ist es eine Justierung mit mehreren Variablen, die aber Belichtungszeiten größer als 1/40 sec. und damit kritisch niedrige Lichtwerte ausspart. Die Prozedur dauert unter Umständen lange, aber es hilft nur die sprichwörtliche Engelsgeduld, wie bei jeder anderen Liebhaberei. Wenn man großes Pech hat und der Abgleich nicht klappt, müssen Trimmer mit anderen Widerstandswerten eingelötet werden, danach geht’s wieder von vorne los.
Das ist nervig, aber Kopf hoch, Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut… !
Wenn die Messungen dann endlich stimmen, Abdeckplatte und die Achse für den Meterzähler einbauen, wiederum Funktionsprüfung. Greifer mit der Feder wieder montieren, dann die Abdeckplatte. Achtung, die federnd gelagerte Umlenkrolle fällt gerne raus. Die Achse für die Aufwickelspule muss recht leichtgängig sein, sonst wird der Zug auf den Film zu groß und der Bildstand grausig. Wird bei aller Freude über die gelungene Restaurierung gern vergessen!
Auf die Abdeckung für den Meterzähler kommt dann der Batteriehalter für die SR 44 Silberoxidzelle. Wird auch geklebt, das geht in der Enge so gerade, dass der Filmtransport nicht behindert wird. Kabel kürzen und anlöten, fertig.

Fomapan R100 einlegen, Probefilm drehen. Sollte passen, passt auch. Finales Halleluja!
Die D8L hat jetzt einen TTL-Nachführbelichtungsmesser, der unabhängig von der Brennweite (!) einen 100 ASA Film ohne umständliche Übertragung von Indexwerten abdeckt. Eine höhere Filmempfindlichkeit macht meines Erachtens keinen Sinn, wäre mit entsprechendem Abgleich aber möglich. Wahrscheinlich braucht man jetzt schon ein Graufilter, wenn die Sonne scheint. Es gibt auch kein schnelleres Material, allenfalls könnte man den Foma pushen. Den Cine 40 BW könnte man ausmessen, dazu müsste die rote Referenznadel im Belichtungsmesser verstellt werden (ausprobieren bzw. mit Handbeli und 40 ASA kalibrieren).
Äußerlich sieht man von der Modernisierung nichts, aber die inneren Werte zählen. Einen Schalter für den Belichtungsmesser könnte auf der Oberseite der Kamera über ein ausgefrästes Rechteck noch nachrüsten, ob das dann aber lichtdicht ist, bleibt unsicher. Ich habe es gelassen, der Strom mit eingefahrener Messzelle war mit meinem Ampermeter in der 200 Mikroampere-Stellung nicht messbar, die LR 44 dürfte also sehr lange halten.
Und wem das nicht reicht, der kann ja alles wieder auseinanderbauen, feilen, fräsen, den Greifer wie ein feinmechanischer Schmiedemeister umformen und die Kamera auch noch für DS8 ertüchtigen. Friedemann Wachsmuth hat’s vorgeführt.
Bauteile: Photowiderstand PVDP 8103, 8104, Batteriehalter SR 44 (Renata) Trimmpotis, am besten ein Sortiment von Amazon, Bojack Potentiometer KIT, Messwerk von der Rolleiflex von „photographica.de“, verkauft er im 5er Set, Schrumpfschlauch , dünne Litze farbig, Kosten insgesamt ca.15 Euro. Vier Messwerke habe ich noch…
Viel Erfolg und gutes Licht!
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