Immer an Neujahr hegte ich einen Vorsatz: Filmen mit Vorsatz, genauer gesagt: mit dem Iscomorphot 8-Vorsatzobjektiv! Damit wird das 8mm-Filmbild bei der Aufnahme gestreckt, wodurch man echte Breitwandaufnahmen mit 8mm erreichen kann.
Aber jenes Breitwandobjektiv fristete nun schon seit Jahren sein Schattendasein in der Schublade, weil ich es aus verschiedenen Gründen nie verwendet hatte: Zum einen war seine Anbringung nicht einfach, zum anderen fehlte der passende Sucher. Wie durch Zufall kam ich in diesem Jahr durch meine Liebe zu Bauer-Kameras (2022 hatte ich meinen preisgekrönten Kurzfilm Into the Realm of the Night auf einer Bauer88F gedreht) an eine Bauer 88, Modell D. Jenes blau-grüne Kuriosum, die mit ihren ihren drei Objektiven und dem Hammerlack wie eine Art Gottesanbeterin in Jugendstil aussieht. Ab 1958 wurde Sie gebaut: Beim Doppel-8-Format wird ein 16mm breiter Film verwendet, der an beiden Rändern perforiert ist. In der Kamera wird zunächst eine Hälfte des Filmes belichtet, danach im Rücklauf die zweite Hälfte. Nach der Entwicklung wird der Film der Länge nach in zwei 8mm breite Streifen geschnitten und die beiden Streifen werden hintereinander montiert.
Jürgen Lossau beschreibt sie in seinem Standardwerk „Filmkameras“ (Hamburg, 2000) scherzhaft als „Kleines Monster, das gerne nach vorn überkippt“. Und in der Tat, der 3fach-Revolver neigt dazu, schnell die Haltung zu verlieren. Dafür hat die Kamera aber einen unschlagbaren Vorteil: sie ist gedacht, problemlos mit dem anamorphotischen Iscomorphoten zu arbeiten. Im Sucher sind bereits die passenden Markierungen eingezeichnet, wodurch man bequem den richtigen Bildausschnitt wählen kann.
Etwas Mühe bereitete mir im Vorfeld aber noch die Reparatur der verharzten Kamera. Obwohl es nur fünf Minuten dauerte, die gut reparierbare Bauer wieder zum Leben zu erwecken, bereitete mir der vernebelte Sucher Schwierigkeiten, den ich liebevoll säubern wollte. Ursprünglich wurde die 88D wegen ihrer Dichtigkeit gegen Feuchtigkeit gelobt, 66 Jahre später zeigte es sich aber, dass der Zahn der Zeit doch seine Spuren hinterlassen hatte. Dank der fachkundigen Hilfe meines Kamerafreundes Marco kamen wir durch Abbau des Objektivrevolvers an die blinden Linsen und konnten sie reinigen. Jetzt hatte ich den herrlichsten Durchblick auf die Breitwandmarkierungen im Sucher, ich war bereit, in „PATORAMA“ zu filmen, wie Marco meinen ersten Film im Breitbildformat in Anlehnung an CINERAMA scherzhaft nannte.
Bei einem so kleinen Format wie 8mm ist es hilfreich, feinkörniges Filmmaterial zur Verfügung zu haben, damit das Korn durch die anamorphotische Verzerrung nicht zu intensiv erscheint. Glücklicherweise hat die Fa. Wittner seit 2022 mit dem WittnerVision 50D das perfekte Farbmaterial dafür im Programm. Mit 50ASA hat man zusätzlich den Vorteil, dass man den eingebauten Belichtungsmesser der Bauer88D problemlos verwenden kann.
Doch wie muss das anamorphotische Vorsatzobjektiv nun montiert werden? Filmkorn-Leser wissen mehr. „Bei Cinemascope-Aufnahmen muss der Vorsatz im Azimuth als „stehendes Ei” vor einem regulären Aufnahmeobjektiv rechtwinklig angebracht sein“, schreibt Oliver Christoph Kochs in seinem Artikel Faszination Cinemascope. Einfacher als gedacht!
Im Frühjahr 2024 war es nun soweit: ich reiste zur Filmbörse in Deidesheim, auf der sich Gleichgesinnte aus ganz Europa treffen, um sich über analoges Filmen auszutauschen oder ein Schnäppchen zu machen. Der malerische Ort ist wie eine kleine Oase der Lebensfreude: gutes Essen und guter Wein, alte Fachwerkhäuser und umringt vom Pfälzerwald mit seinen Burgruinen. Die perfekte Kulisse, um die Kamera auszuprobieren!
Ich verfilmte eine 7,5m-Rolle des kostbaren Doppel-8-Farbmaterials, und ja: es sind wirklich nur 7,5m Film enthalten, wodurch die Verwendung eines kleinen Wechselsackes sehr sinnvoll ist, um keinen Meter beim Einlegen zu vergeuden.
Auf dem Film ist die Wanderung durch die Weinberge zu sehen, Deidesheim, aber auch die Wachtenburg mit ihren steilen Aufstiegen und eine Sektkellerei im angrenzenden Wachenheim. Im zweiten Teil des Films dann ein Filmabend im Film- und Fotomuseum Deidesheim und natürlich: die Filmbörse.
Entwicklung und 4k-Scan hat Andec-Cinegrell aus Berlin durchgeführt, geschnitten und digital gestaucht habe ich den Film dann in Final Cut. Leider gibt es noch keine mir bekannte Möglichkeit, Kopien in Normal8 vom Farbnegativ zu ziehen, sonst könnte man das Material auch mit einem Anamorphot im Faktor 1,5 analog projizieren.
Fazit: Das anamorphotische Filmen war für mich, der immer 8mm in 4:3 gefilmt hatte, wie ein Neuentdecken des Schmalfilmens: ein energiegeladendes Abenteuer, wie ich es schon länger vermisst hatte. Allem wohnte der Zauber des Neubeginns inne. Aber ich musste massiv bei der Bildgestaltung umdenken, um das Breitbild gut nutzen zu können und alles richtig im Kasten zu haben, die Entfernungseinstellungen mussten korrekt sein. Die Kamera war letztlich genau richtig für mein Ansinnen und alles funktionierte letztlich wie erhofft. Als ich dann erstmals den Film in Breibild gesehen hatte, staunte ich nicht schlecht: Ich hätte nicht gedacht, wie gut Breitbild aussehen kann!
Related Posts