Film kann gar nicht teuer genug sein

Film kann gar nicht teuer genug sein

…denn er ist unbezahlbar.

Überall liest man dieser Tage großes Mimimi zu anstehenden Filmpreiserhöhungen bei Kodak. Das sei ja Wucher, jetzt sei Schluss mit dem Hobby, da platze gar irgendeine Blase (?) 

Egal, wie unpopulär meine Meinung dazu sein mag: Das Jammern über steigende Filmpreise ist ungerechtfertigt. Denn frischer Film kann gar nicht teuer genug sein. Ja, Film wird teurer, manchmal sprunghaft und erheblich, wie jetzt im Januar, aber das ist gut so. Warum? Weil nur das, was für den Hersteller Gewinn abwirft, auch ein nachhaltiges Geschäft sein kann. Filme herzustellen und zu vertreiben ist nämlich keine karitative Aufgabe, und die Skalenökonomie eines Massenmarktes gibt es schon lange nicht mehr.

Andersrum gesagt: Kodak hat vor fast zehn Jahren Insolvenz anmelden müssen, und was seit dem vom gelben Riesen übergeblieben ist, ist kein gesundes, florierendes Startup, sondern ein träger, angeschossener Riese, gebeutelt von einem Berg voller Altlasten (verkrustete Strukturen, zu viel Bürokratie, viel zu große Maschinen, schlechte Entscheidungen etc.) und neuer Herausforderungen (Umweltschutz, Rohstoffbeschaffung, Rohstoffpreise, Covid, etc.) Ich finde es ehrlich gesagt ein echtes Wunder, dass Kodak überhaupt noch lebt und agiert, und uns sogar immer noch so viele qualitativ unerreicht gute Filme liefert — vor allem in der Motion Picture Sparte sind der Ektachrome 7294 und die Vision3 Materialien einfach unerreicht und konkurrenzlos gut. 

Analoger Film ist nur eben jetzt ganz da angekommen, wo er hingehört: Im Bereich bezahlbarer Luxusgüter. Denn worüber reden wir hier eigentlich? Ein Viertel aller Deutschen raucht, und die Schachtel Ziesen kostet 7€. Kriegt man ein großes Pils in der Lieblingskneipe noch für €5? Ich konnte da schon so lange nicht mehr hin. Und Benzin — teuer wie nie zuvor, trotzdem kaufen die Deutschen immer mehr SUVs und fahren damit dann auch Brötchen holen. Und wenn wir mal ne gute Flasche Wein kaufen, oder aber ein Bio-Ribeye-Steak statt dem Kilo Discounter-Hackfleisch — was legen wir dafür auf den Tisch? Nur halb so viel wie unsere Nachbarn in Italien und Frankreich, aber trotzdem meckern wir nicht, oder nur leise, denn Qualität hat eben ihren Preis. und das gilt für Produktqualität genauso wie für Lebensqualität.

Wohlgemerkt, ich rede nicht von Heizkosten, sondern von Luxusgütern: Auf letztere haben wir nämlich kein Anrecht. Nicht jeder kann sie sich in gleichem Maße leisten, einige auch gar nicht — aber ich bin es so Leid, das Gejammer darüber zu hören, als gäbe es irgendein Recht auf billigen, subventionierten Film. Gibt es nicht. Denn analoger Film ist lange kein Massenmarkt mehr, und es ist auch kein ernstzunehmender Wachstumsmarkt, auch wenn das gerne behauptet wird. Film ist ein kleiner Luxusartikel zum Verschönern des Lebens. Film ist unbezahlbar!

Ja, es ist ärgerlich, wenn man beim Kauf von Kodak Fotofilmen neben dem Hersteller Kodak auch Alaris und deren Pensionsfond mitfinanzieren muss. Ist aber eben so. Und es ist auch ärgerlich, dass die Kassette E100D in Deutschland teurer erscheint als in den USA. Das ist nur halt der Preis dafür, dass es überhaupt noch Kodakfilme gibt. Andere Branchen im Luxusgutbereich haben noch ganz andere Margen und Querfinanzierungshürden oder Steuern zu bezahlen, und da kaufen wir fröhlich ein, ohne Nachzudenken. Dabei ist Film im Gegensatz zu reinen Genussmitteln nicht einmal wirklich vergänglich!

Analoger Film wurde einfach viel zu lange quersubventioniert. und damit meine ich nicht nur den Verkauf von Dreierpacks in der örtlichen Drogerie, mit Preiskampfmargen, die jede Investition in langfristigen Fortbestand unmöglich machten, sondern auch die von Kleinherstellern (wie Maco, Adox, Rollei, Lomogrpahy, Wittner etc.) erfundene Praxis, irgendwo gefundene Altmaterialien oft aufwendig umkonfektioniert als neues Produkt zu verkaufen. grundsätzlich finde ich das eine schöne Idee und bin fasziniert davon, wie sehr man jahrzehntelang gelagerte Reste irgendwelcher Röntgen-, Starenkasten-, Mikrofilm- oder schlichtweg Fehlgussfilme mittels Marketing und einer hübschen Geschichte zu Premiumprodukten aufhübschen kann. Und ja, ich habe die auch gekauft und gern benutzt. Das Problem dabei: Der Filmhersteller (also der, der Filme gießt), der hat davon nichts. Gar nichts.

Deshalb finde ich, frischer Film kann gar nicht teuer genug sein. Denn je teurer er ist, desto länger wird es überhaupt noch frischen, modernen Farbfilm geben. So winzig wie dieser Markt ist, so wenig ist ein Weiterleben der angeschlagenen Riesen (Kodak, Fuji) selbstverständlich — und die brauchen wir, denn Inoviscoat-Orwo muss erstmal liefern: Ankündigen ist einfach, aber wirklich Liefern ist schwer. Spätestens Ferrania hat uns das gezeigt.

Was bleibt?

Wer wirklich am analogen Film hängt, der überschlage mal schnell, wie günstig die analoge Kamera war, im Vergleich zu damals. Und auch, wieviele analoge Kameras man schon gekauft hat, obwohl man doch eigentlich nur eine bräuchte. Und dann setze man den tatsächlichen Filmpreis nochmal in Bezug zu sonstigen Luxusgutausgaben, die man so tätigt. Und wenn man es sich nun schlichtweg nicht mehr leisten kann, überlege man doch noch mal, ob etwas seltener filmen (oder etwas gezielter fotografieren) nicht auch eine Lösung sein könnten? 

Wer jetzt sein Hobby hinwirft, der hing mehr am Schnäppchen jagen, oder am Hipster-Flair, als am Medium an sich. Wer Film wirklich liebt, der kauft weiterhin Kodak- und Fuji-Filme, und der freut sich an jedem Tag, jeder Woche und jedem Monat, in der er weiterhin mit diesen Zauberstreifen sein Leben verschönern kann. 

In diesem Sinne: Gut Licht! (Wobei: Für den Vision3 500T reicht eigentlich auch die Weihnachtbaumbeleuchtung.)

Friedemann Wachsmuth

Schmalfilmer, Dunkelkammerad, Selbermacher, Zerleger, Reparierer und guter Freund des Assistenten Zufalls. Nimmt sich immer viel zu viele Projekte vor.

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