Agfacolor Umkehr Ultra T (1960) in Farbe entwickeln

Agfacolor Umkehr Ultra T (1960) in Farbe entwickeln

Als ich 2018 nah dem Kauf einer Rolle Agfachrome 50S und 50L feststellen musste, dass es vor der E-6 Entwicklung diverse Vorläufer gab, und ich meine Filme nicht zur Etwicklung einschicken könnte, entschloss ich mich kurzerhand, in die Filmentwicklung einzutauchen.

„Selbstverständlich“ beschloss ich als blutiger Fotolabor-Anfänger nicht etwa mit der Schwarzweiß-Entwicklung zu beginnen, sondern machte mich sofort an einen obsoleten Farbumkehr-Entwicklungsprozess (das konnte ja nicht so schwer sein…).
Nachdem ich mit Agfa AP-41 experimentiert hatte, und dabei die Grenzen meiner Frustrationstoleranz beträchtlich erweitern durfte, ging es weiter zu Orwos C-9165.

Wärmstens ans Herz legen kann ich hierbei jedem, der sich mit der Materie beschäftigen möchte, die Seite analoguephotolab.com . Der Autor versorgte mich mit meinen ersten C-9165 Chemikalien und stand mir per Email mit Rat und Tat zur Seite. Sie ist auch eine der ganz wenigen Quellen für Agfas Prozess 41.

Irgendwann mischte ich meine eigenen Chemikaliensätze und hielt immer mal wieder die Augen nach interessantem Uralt-Material offen.

Auf einem bekannten Kleinanzeigenportal stolperte ich über ein Konvolut aus Schwarzweißfilmen, welches auch zwei Agfacolor Umkehr Ultra T, Ablaufdatum Januar 1960, enthielt.

Nach kurzer Verhandlung mit dem etwas schrulligen Verkäufer war ich um einen niedrigen zweistelligen Betrag ärmer und Besitzer von mehreren Schwarzweißfilmen aus den Jahren 1958 – 1960, sowie besagten Agfa Diafilmen.

Leider gab es keine weiteren Infos zu den Lagerungsbedingungen und aufgrund der auf mich etwas unwirsch wirkenden Kommunikationsweise verzichtete ich auf weitere Nachfragen.

Noch „Made in Germany“ statt „Made in GDR“

Zu entwickeln bis Januar 1960

Nun war ich also stolzer Besitzer meiner bisher ältesten Diafilme, und mein Ehrgeiz war geweckt!

Nur wo beginnen? Aus leidvoller Erfahrung mit einem Ferraniacolor E-3 Film, welcher sich schon bei 24°C Entwicklungstemperatur auflöste wusste ich, dass diese uralten Emulsionen nur bei niedrigen Temperaturen entwickelt werden können.

Der Aufdruck „VEB Filmfabrik Agfa Wolfen“ brachte mich zu dem Schluss, dass es ein Vorläufer der Orwo UT Reihe sein musste. Ein Blick in Erhard Fingers Buch „In Farbe“ (ebenfalls sehr zu empfehlen) klärte mich auf, dass dieser Film zwischen 1954 und 1964 produziert wurde. Ich war also schon sehr dicht am ersten (bzw. zweiten) Agfacolor (15° DIN bzw. 25ASA) dran, der von 1938 bis 1948 produziert wurde, gefolgt vom Agfacolor Typ T (13°DIN bzw. 16ASA; 1948-1955).

Der Umkehr-Ultra T hieß im übrigen so, weil er für die damalige Zeit das höchstempfindliche Farbumkehrmaterial der Welt war – heutzutage kaum zu glauben, bei 16°DIN bzw. 32ASA!

Aufgrund der Verwandtschaft zu der Orwo UT-Reihe entschloss ich mich, zumindest den Farbentwicklungsprozess in C-9165 durchzuführen. Es zahlte sich aus, dass ich mir vor einiger Zeit die Mühe gemacht hatte, mir mehrere Entwicklerkits zu portionieren und auf Lager zu legen – so konnte ich (fast) gleich loslegen.

Selbstgemischte C-9165 Chemie

Der Blick in den Filmkarton war vielversprechend, offensichtlich war die Filmdose nie geöffnet worden – das originale Klebeband war noch um die Filmdose, beachtenswerterweise aus Alu mit schöner Prägung.

Agfacolor UT 16
Original verschlossene Filmdose Agfa Umkehr-Ultra T
Filmdose mit Prägung
Filmpatrone selbst, aus Kunststoff

Die Geruchsprobe verlief positiv, und kurzentschlossen legte ich den Film in meine Nikon FE ein, wählte mein Standardmotiv und machte eine Belichtungsreihe von ISO 32 absteigend bis ISO 0,75 – irgendwas würde schon dabei sein.

Dabei war ich mir durchaus bewusst, dass abgelaufenes Farbumkehrmaterial nicht überbelichtet werden sollte, ich hatte jedoch den Plan, mit verschiedenen Erstenwicklern zu experimentieren, und den sehr wahrscheinlich entstandenen Grundschleier durch „pullen“ Einhalt zu gebieten.

Inspiriert durch Friedemanns Post „Kurzer Prozess – Uralte Ablauffilme gefügig machen“ hatte ich schon in der Vergangenheit S/W Papierentwickler als Erstenwickler für stark überlagertes Material benutzt, und griff auf „Orwo B104“ zurück, den ich irgendwann mal in einem Konvolut Entwicklerchemie miterstanden hatte. Um der Bildung von Grundschleier entgegenzuwirken, fügte ich noch 0,2g/L Benzotriazol hinzu.

Mit 20°C und kurzen 10 min Erstentwicklungszeit ging ich ins Rennen.

Er lebt! Beste Durchzeichnung bei ISO 0,75

Ich war fasziniert — die mindestens 63 Jahre alte Emulsion schien noch am Leben zu sein! Es war spät an einem Wochentag und so ging ich zufrieden ins Bett.

Ehrlich gesagt hatte ich wenig Hoffnung, dass auch die Farbkuppler die lange Lagerungszeit überdauert hatten, doch wenigstens einen Versuch wollte ich wagen. Einige Tage später machte ich mich erneut ans Werk und führte die restlichen C-9165 Entwicklungsschritte, jedoch mit auf 20° C reduzierter Temperatur und entsprechend verlängerten Zeiten, durch.

C-9165 Bleichbad

Bereits im Bleichbad konnte ich erkennen – das sieht nicht nach einem Totalverlust aus!

Das fertige Ergebnis war, gemessen am Alter des Films, beeindruckend!

Agfacolor Umkehr-Ultra T beim Trocknen

Gescannt (Durchlicht ohne Führung) ergab sich folgendes Bild

Agfacolor UT-16, ISO 1,5 und ISO 0,75

Eingelegt in den Filmhalter, gescannt mit meinem Epson V750 und Silverfast folgendes Bild

Agfacolor Umkehr Ultra T, ISO 0,75

Nun kennt ihr auch mein „Standardmotiv“ zum Eintesten von Filmmaterial, ein Modellkäfer. Ich drapiere um ihn immer noch andersfarbige Gegenstände, um die Farbwiedergabe zu testen. Grün ist schon fast ins schwarze gegangen, der Rest jedoch noch sehr gut zu erkennen.

Offensichtlich lag ich mit meiner Methode nicht ganz falsch, einzig die doch sehr maue Empfindlichkeitsausnutzung ließ zu wünschen übrig. Da ich außerdem keine Grundschleierbildung feststellen konnte ging ich davon aus, dass ich mit der Zeit im Erstentwickler etwas zu knapp gewesen war.

Ich entschied mich dazu, noch drei Teststreifen zu belichten, womit der erste Film komplett geopfert war. Diese sollten dann in verschiedenen Erstentwicklern entwickelt werden, um mich ans Optimum heranzutasten.

Das waren im folgenden:

Orwo C-07 (der Standard-Entwickler im C-9165-Prozess) + 0,1g/L Benzotriazol (20°C, 19min Erstenwicklungszeit, entspricht der Standardzeit von 12min bei 25°C)

Erstentwicklung in Orwo C-07, starker Grundschleier

Das Zwischenergebnis mit C07 war ernüchternd – sehr starker Grundschleier. Ich vermutete ein farbiges Bild nach den restlichen Entwicklungsschritten, jedoch sehr blasse Bilder.

Kandidat Nr. 3 war Ilford Perceptol + 0,2g/L Benzotriazol (20°C, 15min)

Erstentwicklung in Ilford Perceptol, sehr gute Durchzeichnung, kein Grundschleier

Ich war total aus dem Häuschen — wunderbare Zeichnung der Negative, kein Grundschleier, herrlich kontrastreich. Quasi ideal für die Zweitbelichtung und Farbentwicklung. Hätte ich Geld wetten müssen, hätte ich alles auf Ilford gesetzt.

Nach dem Farbentwickeln zeigte sich das Ergebnis wie folgt:

Agfacolor Umkehr Ultra T in C07 erstentwickelt, ISO 8

Wie erwartet der in C07 erstenwickelte Teststreifen – blasse Positive, jedoch farbrichtig. Evtl. hätte hier eine verkürzte Entwicklungszeit noch etwas bewirken könne. Aber die Farbbalance brachte keine signifikante Verbesserung zum in B104 entwickelten Teststreifen.

Trommelwirbel für den vielversprechenden Erstenwickler Perceptol…

Agfacolor Umkehr Ultra T in Ilford Perceptol, ISO 0,75

Autsch! Nach der Wette wäre ich wohl arm gewesen wie eine Kirchenmaus. Kaum Zeichnung in den Bildern, nur matschig bräunliche Farben – das hatte ich nicht erwartet. Ernüchtert ging ich ins Bett und nahm mir vor, in den nächsten Tagen nochmals einen Anlauf in B104 mit verlängerter Erstentwicklungszeit zu nehmen.

Ich grübelte an den darauffolgenden Tagen, was schief gelaufen sein könnte, und kam zu dem Schluss, dass aus irgendwelchen Gründen der Perceptol nicht alle Emulsionsschichten durchdrungen hat, und folglich auch nicht alle Schichten zweitbelichtet wurden.

Hier wären die chemisch-physikalischen Zusammenhänge interessant, was leider mein Wissen übersteigt — ich wüsste auch nicht, an wen ich mich diesbezüglich wenden kann. Vielleicht werde ich mal mit dem Filmmuseum Wolfen hierzu in Kontakt treten.

Am darauffolgenden Wochenende machte ich mich nochmals ans Werk und entwickelte wie oben beschrieben in Orwo B104, diesmal jedoch mit 16min. Die Farbentwicklung wählte ich großzügig mit 30min bei 20°C. Meines Wissens nach kann in der Zweitentwicklung nicht überentwickelt werden, da nur das Komplementärbild der Erstenwicklung ausentwickelt wird. Ein paar Minuten mehr schaden hier also nicht.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Agfacolor Umkehr-Ultra T (1960) , ISO 3

Man bedenke, dass der Film bereits vermutlich bereits im Rentenalter angekommen ist 😉

Insgesamt bin ich sehr zufrieden und werde die zweite Rolle irgendwann im Frühjahr oder Sommer belichten und auch entwickeln. Mit ISO 3 kann man jetzt keine Bewegtbilder einfangen, aber für einige Porträts und Landschaften werde ich ihn sicher noch einsetzen können.

Einige Fragen stellen sich mir jedoch noch:

Warum funktionierte die Entwicklung in Perceptol nicht?
Wie ist der Entwickler B104 genau zusammengesetzt? Mein Orwo-Rezepte Buch von 1983 gibt dazu leider keine Auskunft.. Auch würden mich die genauen chemisch-/physikalischen Abläufe interessieren, und wie ich sie mit meinen Methoden positiv beeinflusst habe (Stichwort Grundschleier, Pullen und Entwicklung in „modifizierter“ Chemie).
Sind die leichten „Pickelchen“, die die Emulsion nach der Entwicklung hat schon beginnendes Runzelkorn, was auf zu hohe Temperaturen hinweisen würde?

Zusammenfassend war es eine spannende Reise in die Vergangenheit -vielleicht ergibt sich irgendwann mal die Möglichkeit, an der Ur-Emulsion aus den 30er oder 40er Jahren zu experimentieren.

Alex Bulowski

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