Once Upon A Time in Germany — ein Super 8-Live-Projekt auf Tour

Once Upon A Time in Germany — ein Super 8-Live-Projekt auf Tour

Vergangenen Sonntag machten Lodderbast („LDRBST“) mit Ihrem mobilen Super 8-Kino in der Filmgalerie im „Leeren Beutel“ in Regensburg Station.

LDRBST – das sind Wiebke und Johannes Thomsen aus Hannover. Die Gründer des dortigen gleichnamigen Off-Kinos sind jetzt mit Ihrem mobilen Super 8-Kino quer durch Deutschland unterwegs und zeigen Ihr Found Footage – Projekt „Once Upon A Time In Germany“.

Für dieses Filmprojekt wurden von den beiden etliche Kilometer (west)deutsche Super 8-Amateurfilme aus den 1960er bis 1980er Jahren gesichtet. Filmmaterial mit immerhin 80 Minuten Laufzeit wurde für den Film ausgewählt und von Wiebke Thomsen neu geschnitten und montiert.

Üblicherweise wird bei solchen Found-Footage-Projekten das Schmalfilmmaterial digitalisiert, am PC mit Videoschnittprogrammen bearbeitet und mit Video-Beamer projiziert. Wiebke und Johannes Thomsen jedoch haben ganz bewusst mit dem Original-Filmmaterial gearbeitet und führen Ihr Projekt auch mit Super 8-Filmprojektor vor. Die Projektion des physisch vorhandenen 40-60 Jahre alten Originalmaterials ist wesentlicher Teil Ihres Konzepts.

Projeziert wird mit einem Elmo GS 1200 Xenon – hier aufgebaut im Zuschauerraum der Filmgalerie

Das Filmprojekt gliedert sich in zwei sehr unterschiedliche Teile, die auch bei der Projektion von zwei separaten Rollen vorgeführt werden, mit kurzer Pause während des Aktwechsels.

Teil 1 wird mit einem erschütternd negativen Text über die Deutschen von Hugo Ball aus der Zeit der Weimarer Republik eingeleitet und die folgenden 40 Minuten gestalten sich für den Zuschauer äusserst sperrig. Es gibt im ersten Teil nur menschenleere deutsche Flora und Fauna zu sehen und das fast durchweg amateurfilmübliche zittrige Dauerschwenken und Zoomen in den Aufnahmen, verbunden mit einer zumeist leichten Unschärfe wird hier zum Stil-Prinzip erhoben. Der Zuschauer ist froh, am Ende des ersten Teils endlich auch einmal kurz einen Urlauber erkennen zu können, der in ein Tal blickt und an Caspar David Friedrichs Gemälde „Wanderer über dem Nebelmeer“ denken lässt.

Teil 2 wird mit einem Text von Jörg Fauser aus den 1970er Jahren eröffnet. Auch dieser Text, der also im zeitlichen Kontext der Filmaufnahmen entstanden ist, steht in seiner Aussage völlig konträr zur (vermeintlich) heilen Welt des Super 8-Heimkinos. Im zweiten Teil sehen wir nun endlich die Motive, die den Reiz von historischen Found-Footage-Aufnahmen ausmachen: Menschen, deren zeitgenössische Frisuren und Kleidungsstücke und ihre Behausungen. Der zweite Teil findet seinen Höhepunkt in einer gesamtwestdeutschen scheinbar immer gleichen endlosen Feier, egal ob nun wieder einmal ein Weihnachten, ein Gebursttag oder eine Hochzeit der Anlass dazu ist. Man kann den Muff in den guten Stuben, den Zigarettenqualm und Alkoholdunst und die verschwitzten Polyesterhemden förmlich riechen.

Der Soundscore, ein Collage aus den oben erwähnten Texten, Geräuschen und Musik, wurde von den Filmemachern eigens für den Film angefertigt. Die Aufnahmen erfolgten mit einem analogen zeitgenössischem Tonband. Während der Vorführungen wir der Soundscore live zugespielt (dies jedoch nicht vom Tonband, sondern als digitales File).

Lodderbast sind noch bis Ende April mit Ihrem Film-Projekt auf Tour. Termine und Spielstätten sind hier aufgeführt.

Klaus Schreier

hört Platten, fotografiert Kleinbild, filmt Schmal und dilettiert in der Dunkelkammer und am Schneidetisch

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